Das Lüneburger Aktionsbündnis gegen Atom (LAgAtom) kritisiert den Ablauf des ersten Beratungstermin der Fachkonferenz Teilgebiete (05. – 07.02.2021). Die Konferenz sollte der breiten Öffentlichkeit die Möglichkeit geben, den von der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) vorgelegten Zwischenbricht zur Suche nach einem Lager für Hochradioaktiven Atommüll kritisch zu diskutieren. Es bedarf jedoch einer deutlichen Überarbeitung des vorgelegten Zwischenberichtes und eines Paradigmenwechsel in der Beteiligung der Bevölkerung.
Fachkonferenz zeigt BASE die Rote Karte für den bisherigen Zeitplan
Eigentlich war Kassel als Veranstaltungsort geplant. Angesichts der Corona-Pandemie war aber nur ein Online-Format möglich. Von LAgAtom haben wir zu fünft teilgenommen. Normalerweise wären wir im Zug gemeinsam zurück gefahren und hätten dabei einen ersten Austausch der Eindrücke gehabt. Aber auch dafür benötigte es nun wieder eine Videokonferenz. An diesem kleinen Detail wird schon deutlich, dass echte Beteiligung der Bevölkerung nicht möglich ist, während das ganze Land im Lockdown steckt. Der nächste Schritt, jetzt hier vor Ort in Soderstorf, Horndorf, Rosenthal und Lüneburg die Menschen zu informieren, bleibt zumindest für die nächsten Wochen unmöglich.
Im Vorfeld der Konferenz hieß es, das digitale Format würde neue Möglichkeiten erschließen, so könnten mehr Menschen daran teilnehmen, da Fahrwege wegfallen. Und das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) stellt jetzt positiv hin, dass gut 800 Teilnehmer*innen gleichzeitig dabei waren. Unterschlagen wird dabei, dass gut ein Viertel davon bei der Abfrage den Beobachterstatus für Presse, Behördenmitarbeiter und Tagungsorganisation angeklickt hat. So ist die Beteiligung doch Angesicht von 54 % der Fläche der Bundesrepublik, die betroffen ist, eher mau.
Wir wollen hier gar nicht über die technischen Probleme meckern, die können sich alle vorstellen, die Kinder im Homeschooling haben. Aber auch die gewählte, vielleicht sogar von BASE vorgegebene, Grundhaltung der Moderation machte einen kontroversen Austausch unmöglich. Konflikte wurden wegmoderiert, als „hoch kochende Emotionen“ abgewertet, gerne auch mal das Mikro abgestellt. Permanent wurden Redebeiträge interpretierend zusammengefasst, Arbeitsgruppenergebnisse von der Moderation verfasst, per Mehrheitsentscheid abgestimmt und über Einwände, dass Aspekte nicht auftauchen und andere überbewertet werden, einfach hinweggegangen.
Immer wieder kam der Eindruck auf, dass hier hin zu einem schnellen Ergebnis gelenkt und vor allem Zeitpläne eingehalten werden sollten. Eine echte Diskussion fand in den 100 – 200 personenstarken AG´s jedenfalls nicht statt.
Und so ist wohl auch der ursprüngliche Plan von BASE zu verstehen, trotz Pandemie die drei Beratungstermine bis Juni durchzuziehen und dann keine weiteren Statuskonferenzen mehr zuzulassen: Beteiligung durchgeführt und abgehakt.
Dem hat die Fachkonferenz nun einen Riegel vorgeschoben. Mit überwältigender Mehrheit wird BASE aufgefordert, über das ganze Verfahren bis zum Ausweisen der Standortregionen mehrmals im Jahr Statuskonferenzen anzubieten. Zudem soll der April-Termin in den Juni verschoben werden, um dann zumindest eine Hybridveranstaltung zu ermöglichen.
Damit hat die Fachkonferenz dem überhasteten Beteiligungskonzept des BASE die Rote Karte gezeigt. Wir sind gespannt, ob BASE die Forderungen umsetzt, denn verpflichtet ist sie dazu nicht – ein weiterer Aspekt in der Unzulänglichkeit des Beteiligungsformates. Hier bedarf es nicht nur kleinerer Anpassungen, sondern einen grundlegenden Paradigmenwechsel.
Vorgelegter Zwischenbericht allenfalls eine Vorstudie
Inhaltlich hat der Beratungstermin aus unserer Sicht vor allem zwei Dinge deutlich gemacht: der jetzt vorgelegte Zwischenbericht ist allenfalls eine Vorstudie und viele Detailthemen scheinen auch innerhalb der geologischen Fachwelt noch umstritten.
Besonders deutlich wird das, wenn schon im Vorfeld verschiedene geologische Landesämter darauf hinweisen, dass Daten, die sie an die BGE geliefert haben, nicht eingearbeitet wurden. Zum Teil sind diese noch nicht einmal digitalisiert. In einem Fachvortrag wurde deutlich, dass bisher nur eine mittlere zweistellig Zahl der 17.500 bundesweiten Bohrlochdaten ausgewertet wurden. Und durch die späte Verabschiedung des Geodatengesetzes ist es bisher nur möglich bei 30 % der Daten überhaupt einzusehen, wie die BGE zu ihren Ergebnissen gekommen ist.
Verschiedene Fachvorträge externer Wissenschafler*innen machen zudem klar, dass längst nicht alle Aspekte berücksichtigt wurden. Aus unserer Lüneburger Sicht z.B. die Auswirkungen der Vergletscherung zukünftiger Eiszeiten. Der hohe Druck der aufliegenden Eislast würde vermutlich manche Regionen als gar nicht geeignet erscheinen lassen, in anderen erst in deutliche größerer Tiefe eine Lagerung ermöglichen.
Ebenfalls umstritten auch die Frage der maximalen Teufe, in der der Atommüll gelagert werden soll. Hier scheint die Vorgabe der BGE, bis 1500 Metern unter Geländeoberkante zu suchen, für die Wirtsgesteine Salz und Ton fachlich nicht abschließend geklärt.
Die BGE reagiert auf derartige Kritik mit dem Verweis auf die „große Flughöhe“ und das frühe Stadium. Das ist aus unserer Sicht auch nicht falsch. Schräg ist dann aber, wenn 54% der Bundesfläche als „geeignet“ eingestuft werden, richtiger wäre die Aussage, dass man schon zu diesem früher Stadium 46 % als ungeeignet ausschließen kann.
So besteht das Risiko, das weitaus früher als im StandAG vorgesehen planungswissenschaftliche Kriterien zum Greifen kommen. Dies wäre jedoch das Einfallstor für politische Einflussnahme. Was aber zwingend verhindert werden muss, ist ein erneutes Gorleben-Desaster, in dem sich nach Jahrzehnten herausstellt, dass ein Standort zwar politisch gewollt aber geologisch ungeeignet ist.
Das StandAG nennt als Ziel eindeutig, einen Standort mit der größtmöglichen gesellschaftlichen Zustimmung zu finden. Dem muss sich der Prozess in allen Teilen unterordnen.
Was muss passieren?
- Einen wichtigen Schritt hat die Fachkonferenz Teilgebiete nun schon selber gemacht, in dem sie sich mit großer Mehrheit für eine Fortführung der Bürger*innen-Beteiligung über die drei geplanten Termine hinaus ausgesprochen hat. Ziel muss dabei ein gläsernes Verfahren sein, bei dem zu jeder Zeit klar ist, woran und wie BGE gerade arbeitet.
- Es braucht mehr Dialog und größeren Raum für direkten Austausch. Das geht nicht rein digital. Die Veranstaltungen müssen mindestens als hybrides Format stattfinde. Die Moderation darf dabei nicht wie bisher top down agieren. Ziel müssen konsensuale Entscheidungen sein.
- Zwischen den nächsten Arbeitsschritt der vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen und den drauf folgenden ersten planungswissenschaftlichen Bewertungen muss eine Haltelinie eingezogen werden. Bis dahin müssen alle Daten eingearbeitet sein und die BGE muss auf der Basis der jetzigen Vorstudie einen vollständigen Zwischenbericht vorlegen.
- Wichtig ist dabei auch die Einbeziehung von Fachwissenschaftler*innen außerhalb der BGE. Ein aus Lüneburger Sicht wichtiges Beispiel ist dabei die Betrachtung der Eiszeiten. Hier sehen wir, bei dem ganz Niedersachsen betreffenden Thema, auch die Landesregierung und das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) in der Pflicht.
- Für den Landkreis Lüneburg begrüßen wir die Entscheidung eine Begleitausschuss Endlagersuche zu gründen. Dieser muss nun zügig an Konzepten für Infoveranstaltungen vor Ort, diese müssen sattfinden sobald das das Infektionsgeschehen wieder möglich macht und deutlich vor dem zweiten Beratungstermin der Fachkonferenz. Denn Beteiligung heißt nicht nur Fachkonferenzen für die wenigen, die ein derartiges Format anspricht. Beteiligung heißt vor allem die Information der Menschen vor Ort.
Infos zu den Teilgebieten im Landkreis Lüneburg findet ihr hier.
„Das StandAG nennt als Ziel eindeutig, einen Standort mit der größtmöglichen gesellschaftlichen Zustimmung zu finden. Dem muss sich der Prozess in allen Teilen unterordnen.“
Das ist falsch. Das Ziel der Standortsuche ist im StandAG klar definiert:
§ 1 Zweck des Gesetzes
(1) Dieses Gesetz regelt das Standortauswahlverfahren.
(2) Mit dem Standortauswahlverfahren soll […] ein Standort mit der bestmöglichen Sicherheit […] ermittelt werden.
Unter §5 steht:
„Ziel der Öffentlichkeitsbeteiligung ist eine Lösung zu finden, die in einem breiten gesellschaftlichen Konsens getragen wird und damit auch von den Betroffenen toleriert werden kann.“
Von einer Maximierung der Toleranz oder der Breite des Konsenses ist im StandAG keine Rede, das ist kein Ziel. Gesetzlich gibt es keinen Zwang, dass sich die Standortsuche dem Ziel der Öffentlichkeitsbeteiligung unterordnen müsste. (Ganz im Gegenteil, die Öffentlichkeitsbeteiligung hat ja genau deswegen quasi keinen Einfluss auf die Standortsuche, damit eben nicht der Standort mit der größtmöglichen gesellschaftlichen Zustimmung, sondern der mit der bestmöglichen Sicherheit gewählt wird … so zumindest das Gesetz – der Bundestag, der nach jedem Schritt entscheidet, kann sich aber auch nach der gesellschaftlichen Stimmung richten.)
Nur die Öffentlichkeitsbeteiligung muss sich natürlich dem Ziel unterordnen, einen breiten gesellschaftlichen Konsens zu erzielen. Damit ist im Übrigen nicht wirklich ein Konsens gemeint, sondern eine breite gesellschaftliche Mehrheit. Gibt es diese, so sollte es möglich sein, dass diejenigen, die vor Ort betroffen sind, sich diesem Druck bzw. den demokratischen Spielregeln beugen und die Standortentscheidung tolerieren – so interpretiere ich §5 StandAG. Das ist natürlich keinesfalls akzeptabel.
sorry, ich find das wichtig …