Zwei Tage Erörterung zum Rückbau AKW-Krümmel – LAgAtom zieht erste Bilanz

Am 11. und 12. Dezember fand in Reinbeck bei Hamburg die Erörterung zum Rückbauantrag für das AKW Krümmel statt. Lagatom hat sich hier im Vorfeld intensiv mit einer Sammeleinwendung eingebracht und war bei dem Termin mit vier VertreterInnen dabei.

Wir wollen hier eine erste Bilanz ziehen.

Für die, die nicht im Thema sind: Worum geht’s? Vattenfall hat den sofortigen Rückbau des AKW Krümmel beantragt. Außerdem will der Betreiber auf dem AKW Gelände in Geesthacht neben der vorhandenen CASTOR-Halle für den hochradioaktiven Atommüll ein neues Lager für schwach- und mittelradioaktiven Atommüll bauen (LASMA). Beide Lager werden über Jahrzehnte benötigt, denn betriebsbereite Endlager sind nicht in Sicht.

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Hauptkritikpunkte am Rückbaukonzept (aktualisiert nach dem Erörterungstermin)

Die Presse zum Erörterungstermin

So kommt ihr zum Wortprotokoll des Erörterungstermins

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Den Auftakt beim Erörterungstermin machte der Staatssekretär im Kieler Umweltministerium (MELUND), Herr Goldschmidt. Er legte die Anspruchslatte ganz schön hoch, indem er den Erörterungstermin als Sternstunde der Demokratie bezeichnete. So ganz euphorisch schließen wir uns da dann doch nicht an. Positiv war sicherlich die Verhandlungsführung. In sehr offener Gesprächsführung konnte jedes Thema ohne Beschränkung diskutiert werden. Wir hatten durchgängig den Eindruck, dass das  MELUND ein Interesse hat, die Argumente der EinwenderInnen zu verstehen. Auch wenn immer wieder betont wurde, dass  an dieser Stelle keine Entscheidungen getroffen werden, ließ die Behörde mehrfach durchblicken, dass man die Kritik der EinwenderInnen teilt. Am deutlichsten bei der fehlenden Befristung für das beantragte Lager für schwach- und mittelradioaktiven Atommüll. Hier machte das Ministerium klar, dass man voraussichtlich ein Enddatum festlegen werde.

Kritisch sehen wir leider – und das haben wir in der Erörterung immer wieder hervorgehoben – , dass die vom Betreiber vorgelegten Unterlagen an vielen Stellen unkonkret bleiben. Oft fehlen einfach Detail-Angaben zum Beispiel zur radiologischen Charakterisierung.  Andererseits werden für  Rückbauschritte eine große Auswahl von Durchführungs-Varianten beantragt (im Extrem auch mal sechs oder sieben).  So weiß man eigentlich nicht, was denn schlussendlich passieren wird. Mit unserer Forderung nach einer weiteren Öffentlichkeitsbeteiligung z.B. nach fünf Jahren Rückbau, sind wir leider nicht gelandet.

Vattenfall hat weitere Infoveranstaltungen im Laufe des Rückbaus angekündigt. Das werten wir im Verhältnis zum früheren Umgang der Atomindustrie mit der Bevölkerung als wesentliche Verbesserung. Rechtlich haben derartige Infoveranstaltungen aber keine Bedeutung und können eine formale Öffentlichkeitsbeteiligung nicht ersetzen.

Positiv bewerten wir, dass Vattenfall während des Erörterungstermins an mehreren Stellen die ursprüngliche Planung korrigierte. Vielleicht ging es dabei jeweils um Punkte, bei denen dem Betreiber schon klar war, dass er damit  eh nicht durchkommt. Aber das ist Spekulation. Deshalb werten wir  das hier aber mal als Erfolg unserer Einwendung:

Der Betreiber …

  • … nimmt den Vorbehalt zurück, dass  man nur mit  dem Rückbau startet, wenn Schacht KONRAD zeitnah in Betrieb geht. Damit wird Druck aus der politischen Diskussion rund um das Endlager genommen. Denn so fällt das Argument weg, dass Schacht KONRAD trotz  aller  Zweifel an der Eignung schnell in Betreib muss, weil sonst die AKW nicht abgebaut werden.
  • … nimmt die Pläne zurück, die Gaswarnanlage schon vor Entfernung der Sonderbrennstäbe abzubauen. Damit wir ein unnötiges Risiko vermieden.
  • … will nun das Zwischenlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle nicht mehr als Pufferlager für unkonditionierte,  brennbaren Mischabfälle nutzen.
  • …  beantragt keine  Abklinglagerung mit dem Ziel Abfälle knapp unter die Freigabegrenze zu bekommen.
  • … korrigiert die Angaben zu den  Mengen, die über die sogenannte Herausgabe ins ganz herkömmliche Bauschuttrecycling gehen sollen. Über diesen Weg, bei dem es nur stichprobenhafte Strahlenmessungen gibt, sollen  nun keine Stoffe aus dem Kontrollbereich fließen und aus dem weniger belasteten Überwachungsbereich  nur etwa die Hälfte des Bauschuttes.

Damit endet aber auch schon der positive Teil. Häufig wurden konkrete Fragen der EinwenderInnen mit langatmigen Vorträgen ohne Bezug zur Frage beantwortet. Nur durch hartnäckiges Nachhaken, auch durch den Behördenleiter,  war der Vattenfall auf den Punkt zu bringen.

Auch nach langer Diskussion ließ sich der Betreiber nicht bewegen, das Auswahlkriterium Wirtschaftlichkeit für die Entscheidung zwischen zwei alternativen Zerlege-, Dekontamination- oder Konditionierungsvarianten zu streichen. Man räumte zwar ein, dass der Strahlenschutz Vorrang hat. Grundsätzlich auf Kosteneinsparung zu Gunsten von Sicherheit, Arbeitsschutz, Strahlenschutz und co. zu verzichten, ging dann aber doch zu weit. Das lässt uns misstrauisch zurück.   

Und auch in vielen inhaltlichen Fragen, hat der Erörterungstermin unsere Kritik eher noch bestätigt. Aus unsrer Sicht die Top 4 No Goes:

  • Über den Schornstein sollen während des Rückbaus die gleichen Abgaben erlaubt sein, wie während des Leistungsbetriebes, auch wenn diese nie erreicht wurden. Für den Abbau des alten Fortluftkamins will man einen niedrigeren Ersatzkamin  bauen. Bei der Neuberechnung der Ausbreitungvektoren soll das alte meteorologische Modell benutzt werden und nur der Parameter Schornsteinhöhe ausgetauscht werden, obwohl der Neue nicht mehr wie zuvor  über den Geesthang hinweg ragt und nun  seine Strahlenfracht in die lokalen Hangwinde ablässt.
  • Auch die Abgaben in die Elbe sollen sich an den alten Werten orientieren. Damit man die gesetzlichen Dosisgrenzwerte auch ohne die Verwirbelung durch das Kühlwasser einhält, will man ein Rohr in den Stromstrich bauen. Die mit dem Klimawandel zu erwartenden langanhaltenden Niedrigwasserstände mit Strömungsarmut will man nicht berücksichtigen. Das aktuelle hydrologische Modell bezieht sich auf Mittelwerte aus dem Jahren 1926 bis 2011. – abgesehen von den Neuentwicklungen mit dem Klimawandel bezieht das sogar Zeiten vor dem 1960 errichtete Elbesperrwerk mit ein. Fundiert geht anders!
  • Auch in der Störfallbetrachtung findet der Klimawandel nicht statt. Weder die neu auftretenden Starkregen, noch Tornados finden Berücksichtigung.  Ob und wie man betrachtet hat, dass sich bei Starkregen die Wassermenge auf dem AKW-Gelände erhöht, wenn man das Hangwasser hinzurechnet, wollte oder konnte der Betreiber nicht sagen. Eine konkrete Frage nach dem Oberflächenabfluss bei Hochwasser beantwortet Vattenfall mit: „eine Gleichzeitigkeit von Starkregenereignis und Hochwasser ist im zu berücksichtigenden Regelwerk nicht vorgesehen„. Das zeugt von einer Herangehensweise, in der nur das rechtlich Notwendige veranlasst wird, nicht aber alle mit gesundem Menschenverstand denkbaren Störungen ernsthaft berücksichtigt werden.
  • 800 Tonnen Atomschrott will der Betreiber in die USA exportieren. Dort soll er verschmolzen und wieder in der Atomindustrie eingesetzt werden. – Haben die da nicht selber genug Atomschrott? Und wie sieht es da mit dem Exportverbot für Atommüll aus? – Vattenfall sieht da kein Problem. Der Schrott sei Wertstoff und kein Atommüll. Seltsam nur, dass sie zugaben, dass sie dafür zahlen, ihren „Wertstoff“ los zu werden.

Bisher nicht „unser“ Thema: einer der anderen Einwender hat sich eingehend mit dem Thema Lärm beschäftigt und die Unterlagen förmlich zerlegt, sodass letztendlich vom Betreiber wesentliche Fehler eingeräumt wurden. Das ging soweit, dass man zugeben musste per copy-and-paste Passagen aus den Unterlagen zum AKW Brunsbüttel übernommen hatte („Wie kommt denn hier der Nord-Ostsee-Kanal in die Unterlagen?“) Das wirft ein schlechtes Bild auf alle anderen Bereiche.

Wie sich das alles auch in der Genehmigung wieder findet, muss natürlich abgewartet werden.

Wie geht es nun weiter?

Zunächst wird die Genehmigungsbehörde ein Wortprotokoll erstellen. Wie ihr daran kommt findet ihr hier (LINK). Mit einer Genehmigung ist erst 2020 zu rechnen. Menschen, die jetzt rechtzeitig eingewendet haben, haben dann noch ein Klagerecht.

Zum 01.01.19 wird die Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) die Verantwortung für die CASTOR-Halle übernehmen. Sobald das LASMA daneben steht, wird sie auch hier verantwortlich. Das trotz Einladung kein BGZ-Vertreter beim Erörterungstermin war, ist zumindest mal kein gutes Signal.

In der zweiten Jahreshälfte 2019 will Vattenfall bei der Wasserbehörde eine neue „Gehobene  wasserrechtliche Genehmigung“  beantragen. In dem Verfahren gibt es eine gesonderte Öffentlichkeitsbeteiligung.

Wir bleiben dran. Ihr hoffentlich auch.

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