Scoping-Termin für den Rückbau des AKW Krümmel lässt viele Fragen offen

krümmelAm vergangenen Montag, den 27. Juni 2016, fand in Geesthacht der Scoping-Termin für das AKW- Krümmel statt. Nachdem Vattenfall am 24.08.2015 nach langem Zögern den Stilllegungsantrag gestellt hat, war das der erste Termin im rechtlich vorgeschriebenen Beteiligungsverfahren. Die Aufsichtsbehörde aus Kiel, das MELUR, hatte zu der Beratung über den Prüfrahmen für die Umweltverträglichkeitsprüfung Behörden, Umweltverbände und Anti-Atom-Initiativen (darunter auch LAgAtom) geladen.

Die wichtigste Frage: will Vattenfall denn überhaupt den Reaktor stilllegen, blieb auch bei diesem Termin unbeantwortet. Noch im Januar hatte der technische Leiter der Nuklearsparte des Konzerns bei einer öffentlichen Veranstaltung angekündigt, man werde bei einem Erfolg der laufenden Klage gegen das Ausstiegsgesetz nicht von einer möglichen Stilllegungsgenehmigung Gebrauch machen und könne den Reaktor dann binnen Jahresfrist wieder anfahren.

Beim Scoping-Termin wurde nun also besprochen, was passieren soll, falls Vattenfall die Klage verliert. Doch auch das blieb an vielen Stellen unklar.

So soll zum Beispiel die Konditionierung der Abfälle am Standort oder extern an einer anderen Anlage in Deutschland oder auch im Ausland erfolgen. Da es nach unserer Kenntnis noch keine Konditionierungsanlagen auf dem Mond gibt, hat sich der Betreiber damit alle denkbaren Optionen offen gelassen. Ähnlich Beispiele finden sich in den bisherigen Unterlagen zu Hauf und wurden beim Scoping-Termin angemahnt.

Positiv bewerten wir, dass die Aufsichtsbehörde das scheinbar ähnlich sieht. Man werde  Druck auf den Betreiber ausüben, damit die Unterlagen für den Erörterungstermin so konkret sind, dass eine Beurteilung durch betroffene BürgerInnen und Verbände möglich ist. Zweifel daran, ob das klappen wird, sind berechtigt, denn gleichzeitig kündigt die Behörde den Erörterungstermin schon für 2017 an. Ein sehr ambitionierter Zeitplan in Anbetracht der bisher vorgelegten Unterlagen und auch im Vergleich zu den Zeiträumen bei andern Stilllegungsprojekten z.B. beim HZG.


Unsere Forderung: Die Antragsunterlagen müssen klar beschreiben, was der Betreiber vorhat!


Schon jetzt lassen sich beträchtliche Risiken beim Rückbau absehen, die von verschiedener Seite beim Scoping-Termin angemahnt  wurden.  Unklar ist zum Beispiel, was mit defekten CASTOR-Behältern im Standort-Zwischenlager passieren soll, wenn das AKW als Back-Up wegfällt, in das man zur Not den Behälter bringen könnte. Hier muss ein Plan B her. Aus unserer Sicht ist hier sogar zu prüfen, ob die Genehmigung des Standort-Zwischenlagers als Stand-Alone Anlage nicht hinfällig ist.


Unsere Forderung: Überprüfung  des Sicherheitskonzeptes für das Standort-Zwischenlager!


Aktuell sehen die Planungen des Betreibers zudem  noch vor, schon mit Rückbaumaßnahmen zu beginnen, bevor die Anlage frei von Brennelemente ist. Das Problem ist hier die ungewöhnlich hohe Anzahl von 200 defekten Brennstäben mit Abriebstellen an der Oberfläche. Für diese sind die üblichen CASTOR-Behälter nicht zugelassen. Der Betreiber hofft zwar, dass es rechtzeitig einen neuen Behältertyp bzw., spezielle Köcher für die Defektstäbe gibt; eh‘ man lange darauf wartet, will man aber doch schon mal anfange. Ein sicherheitsorientiertes, bedächtiges Vorgehen sieht da anders aus.


Unsere Forderung: Vor Beginn der Arbeiten muss die Anlage frei von Brennelementen sein!


Dass Sicherheit nicht das einzige Kriterium ist, zeigt sich an den Antragsunterlagen. Hier findet sich die Aussage, dass Entscheidung zwischen alternativen Maßnahmen und Rückbauverfahren auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten getroffen werden. Beim Scoping-Termin hat sich das MELUR von dieser Aussage des Betreibers klar distanziert. Es bleibt zu hoffen, dass sich das auch darin wiederspiegelt, dass die beantragten Abgabegrenzwerte und die Fortluft, ins Abwasser und direkt in die Elbe deutlich reduziert werden. Hier darf als einziges Kriterium nur der Schutz von Mensch und Umwelt gelten.


Unsere Forderung: Minimierungsgebot einhalten – Abgabegrenzwerte maximal reduzieren!


Große Bedenken haben wir gegenüber den Plänen des Betreibers, 98,5 % der Gesamtmasse ins  ganz normale Bauschuttrecycling und –entsorgungsverfahren zu geben. Über das sogenannte Freigabeverfahren würde ein Teil deponiert, verbrannt oder eingeschmolzen (1 %), für den weitaus größten Rest wird gar nicht vorgegeben, wo er verbleibt.  Aus Sicht des MELUR sind die Freigabeabfälle unbedenklich. Man stehe derzeit mit 7 Deponien in Schleswig-Holstein im Kontakt. Das Konzept sehe vor, die zur Deponierung beschränkt freigegebenen Abfälle hier hin zu bringen. Die AKW-Betreiber hätten sich bereiterklärt, nur diese Deponien und keine in anderen Bundesländern zu nutzen. Einen Plan B für den Fall, dass es keine Deponie gibt, die den Müll annimmt, braucht es nach Ansicht des MELUR nicht. Sie gehen davon aus, dass es nur noch etwas Überzeugungsarbeit fehlt.  Doch der Widerstand an den Deponiestandorten wächst auch in Schleswig-Holstein zum Beispiel in Schönwohld bei Kiel.

In Baden-Württemberg wurden jetzt Deponierungspläne gestoppt, bis man geklärt hat, ob es Einschränkungen für die Nachnutzung von Deponien gibt, auf die freigemessener Müll kommt. Einen guten Überblick über die Risiken der Freigabe von Bauschutt aus Atomkraftwerken gibt eine aktuelle ZDF-Dokumentation der Redaktion Planet Erde.

Aus unserer Sicht braucht es dringend eine Neubewertung des Freigabe-Verfahrens, der  Grenzwerte und Bewertungsszenarien. Diese basieren auf völlig veraltetet Grundlagen, berücksichtigen nicht die großen Mengen, die durch den Rückbau der vielen AKW in Deutschland entstehen und sind auch im internationalen Vergleich eher hoch. Bis dahin sollte der Bauschutt auf dem Gelände der Atomanlagen verbleiben. Dieser Forderung hat das MELUR schon eine klare Absage erteilt.


Unsere Forderung: Keine zusätzliche Erhöhung der natürlichen Hintergrundstrahlung durch die weiträumige Verteilung von leichtstrahlendem Bauschutt!


Einen Hoffnungsschimmer gegenüber den bisherigen Erfahrungen mit Genehmigungsbehörden in anderen Bundesländern hat das MELUR aber bei einem anderen Thema aufblitzen lassen. An anderen AKW-Standorten gab es bisher immer nur für die erste Stilllegungs- und Abbaugenehmigung (SAG) eine Bürgerbeteiligung. Häufig wurden da dann nur sehr grobe Planungen verhandelt und die Details des Rückbaus von Druckbehältern und ähnlichen Komponenten in die 2. SAG verschoben.

In Schleswig-Holstein prüft und erwägt man immerhin schon mal, ob es für weitere Stilllegungsschritte auch eine Beteiligung der Öffentlichkeit geben soll. Aus unserer Sicht eine zwingende Forderung bei einem Prozess, der sich über Jahrzehnte hinzieht.


Unsere Forderung: Bürgerbeteiligung auch bei späteren Phasen des Rückbaus!


Im Ganzen war das Auftreten der Behörde beim Scoping-Termin aufgeschlossen und den Bedenken der Umweltverbände in weiten Teilen zugewandt. Mehrfach erhob man den Anspruch, im Vergleich zu andern Bundesländern, Standards in der Sicherheistkultur beim Rückbau von Atomanlagen zu setzen und einzufordern. Ob das in der praktischen Umsetzung so sein wird, muss sich noch zeigen. Dass das mit Vattenfall als Betreiber klappen kann ebenso. Zweifel sind  nicht nur aufgrund der Erfahrungen mit dem Pfusch beim Bau des AKW Krümmel   angebracht.

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