Über die mögliche Laufzeitverlängerung wird viel geschrieben, aber die tatsächlichen Pläne tauchen eigentlich nur im Kleingedruckten auf. Diese Lücke wollen wir hier schließen.
Zunächst einmal: das Thema Streckbetrieb – also die Leistungsreduktion der Reaktoren, um dann über einen längeren Zeitraum die gleiche Menge Strom zu produzieren – ist vom Tisch.
Es geht nur noch um die Frage, Laufzeitverlängerung mit oder ohne den Kauf von Brennelementen.
… oder keine Laufzeitverlängerung.
Der Plan des Wirtschaftsministeriums sieht für ISAR 2 vor, dass im Oktober die defekten Ventile repariert werden. Im Dezember soll dann anhand des Stresstestszenarios entschieden werden, ob das AKW zum 31.12.2022 vom Netz geht, oder ob es mit den verbleibenden Kapazitäten weiterläuft. Laut Eckpunktepapier würde dabei eine Kapazität von 2 TWh eine Laufzeitverlängerung bis Mitte März ermöglichen. Dann noch eine Umkonfiguration des Reaktorkerns zu machen, würde keinen Sinn ergeben. Da die letzte Revision AKW ISAR 2 im Oktober 2021 war, müsste erst eine neue stattfinden, die dann 4-6 Wochen dauern würde.
Für das AKW Neckarwestheim 2 ist eine Entscheidung Anfang 2023 geplant. Zum 31.12.2022 würde das AKW runtergefahren. Zu diesem Zeitpunkt bestünde noch eine Restkapazität von 0,5 TWh. Durch eine Umkonfiguration des Reaktorkerns könnte sie auf 1,7 TWh erhöht werden. Das würde dann die Möglichkeit ergeben, das AKW bei absinkender Leistung bis Mitte April weiter zu betreiben.
Beim AKW Emsland hatten Betreiber und Atomaufsicht schon frühzeitig mitgeteilt, dass über den 31.12.2022 hinaus keine Restkapazität bestehen würde. Das AKW ist kein Bestandteil der Notreserve. Auf eine Umgruppierung des Reaktorkernes wird verzichtet, da Engpässe – im Extremszenario – nur in Süddeutschland erwartet werden.
Die Betreiber werden im Fall eine Nichtnutzung der Notfallreserve für ihre Kosten entschädigt. Sollten die AKW laufen, würden die Erträge nicht unter die Übergewinnsteuer fallen. Die Betreiber müssten sich lediglich verpflichten, das Geld in den Neubau von Solar- oder Windkraftanlagen zu investieren.
Eine zusätzliche Sicherheitsüberprüfung wird nicht erfolgen!
Der Habeck-Plan würde damit in Summe eine Kapazität von 3,7 TWh freisetzen. Technisch möglich wären für 2023 darüber hinaus noch, über die Umkonfiguration der Reaktorkerne im AKW ISAR 2 und Emsland 2,4 weitere TWh. Das heißt, ohne den Kauf von neuen Brennelementen wären maximal 6,1 TWh möglich.
Fachleute wie z.B. Herr König vom BASE geben an, dass man bei neuen Brennelementen mit einer Lieferzeit mit mehr als 1 ½ Jahren rechnen muss. Herr Althusmann scheint da besondere Quellen zu haben. Er hat mehrfach behauptet, er könne Brennelemente in Kanada innerhalb von 12 Monaten bekommen.
Würde das stimmen, könnte eine sofortige Bestellung dazu führen, dass alle drei AKW frühestens ab Oktober 2023 wieder in Volllast laufen. Das ergäbe für das letzte Quartal 2023 eine Kapazität von 9 TWh.
In der Summe könnten in Deutschland also aus Atomkraft für 2023 maximal 15 TWh Strom gewonnen werden. Der Deutsche Jahresenergieverbrauch lag 2021 bei 3.600 TWh, darin sind 600 TWh Stromverbrauch enthalten.
Der Weiterbetrieb der 3 AKW würde also maximal 0,8 % des Energiebedarfs und 2,5 % des Strombedarfs decken. Das damit kein wesentlicher Beitrag zur Energiekostenreduktion zu gewinnen ist, liegt wohl auf der Hand.
Dennoch sind sogar Teile der Grünen bereit, hierfür Atomkraftwerke – vergleichbar also mit einem Auto, das ein H am Ende des Kennzeichens schmückt, mit seit drei Jahren abgelaufenem TÜV – also ohne zusätzliche Sicherheitsprüfung, eine Laufzeitverlängerung zu gönnen. Das gegen den Betrieb des AKW Neckarwestheim 2 sogar eine Klage läuft, scheint dabei egal zu sein.
Weitere Sicherheitsargumente gegen eine Laufzeitverlängerung finden sich hier beim BUND.
Was 2010 richtig war, gilt auch 2022 fort. LAgAtom fordert das sofortige Aus für alle Atomanlagen statt einer Laufzeitverlängerung, unter welchem Namen auch immer die kaschiert wird.