Dass Atomanlagenbetreiber und Bevölkerung Sicherheitsrisiken unterschiedlich bewerten ist nichts Besonderes, sondern eher die Regel im Jahrzehnte alten Konflikt um diese Hochrisikotechnologie. Oft genug landete dieser Konflikt vor Gericht, da eine Einigung im Dialog nicht möglich erschien. Daher ist es bemerkenswert, dass im Rahmen des HZG-Dialogs ein Betreiber auf die kritischen Nachfragen eingeht und die eigenen Pläne hinterfragt. Das hat nun zu einem absoluten Novum geführt: die Begleitgruppe hat in einem Detailpunkt ihre formelle Einwendung gegen die Stilllegungspläne zurück genommen. Worum es dabei im Detail geht erläutert der neu erschienene Newsletter „HZG im Dialog“
Newsletter „HZG im Dialog“ der Begleitgruppe „Stilllegung Atomanlagen des HZG (ehem. GKSS)“ und des Helmholtz-Zentrums Geesthacht (HZG) – Oktober 2018
Seit rund sechs Jahren diskutieren interessierte BürgerInnen im HZG-Dialog mit dem Betreiber über den geplanten Rückbau der Atomforschungsanlagen. Das Atomrecht sieht derartige Mitbestimmungsformate nicht vor. Um auch im rechtlichen Beteiligungsverfahren formal gehört zu werden, musste die Begleitgruppe eine Einwendung erheben.
Bereits im Rahmen des Erörterungstermins am 23. März 2017 haben VertreterInnen der Begleitgruppe deutlich gemacht, dass man über die Einwendungen auch im HZG-Dialog weiter diskutieren wolle und zuversichtlich sei, zumindest für einzelne Themen eine Lösung zu finden.
Für eine Forderung ist dies nun geschehen. Die Begleitgruppe hat sich an die Genehmigungsbehörde, das Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung (MELUND) in Kiel gewandt, und ein Detail ihrer Einwendung zurückgezogen. Ein absolutes Novum nicht nur im Konflikt um die Atomenergie.
Worum ging es hier konkret? Im Rahmen der Stilllegung plant das HZG auch die Zerlegung des Reaktordruckbehälters (RDB) des ehemaligen Atomfrachters Otto Hahn. Dieser befindet sich seit 1982 gesichert in einem Betonschacht auf dem Forschungsgelände in Geesthacht.
Beim Rückbau von Leistungsreaktoren wird häufig im ersten Schritt eine sogenannte Full-System Dekontamination (FSD) durchgeführt. Dabei werden die Systeme und Rohrleitungen des Reaktors im ursprünglichen Betriebszustand mit einem chemischen Gemisch durchspült, das den wesentlichen Teil der Kontaminationen löst und bindet. Damit werden sowohl die Strahlenbelastung derjenigen minimiert, die die eigentlichen Zerlegearbeiten durchführen, als auch die Auswirkungen eines Unfalls beim Zerlegen reduziert.
In den ursprünglichen Plänen des Betreibers war ein FSD nicht vorgesehen. Daher erhoben die Mitglieder der Begleitgruppe im Rahmen der Erörterung die Einwendung: „Ergänzend sollte geprüft werden, ob der Einsatz einer Full-System-Dekontamination technisch umsetzbar ist.“
Im Nachgang des Erörterungstermins hat das HZG diese Forderung aufgegriffen und eine Prüfung durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass alle derzeit zur Verfügung stehenden FSD-Verfahren mit hohen Drücken arbeiten. Da der RDB der Otto Hahn bereits seit über dreißig Jahren nicht mehr in Betrieb ist, lässt sich nicht sicher vorhersagen, ob alle Bauteile der Druckbelastung standhalten würden. Diese Einschätzung wurde von dem von der Begleitgruppe hinzugezogenen unabhängigen Sachverständigen Wolfgang Neumann bestätigt ( zur Stellungnahme).
Auch eine anschließende Prüfung, ob eine leichte Modifikation der Verfahren eine Anpassung an die besonderen Bedingungen des RDB der Otto Hahn möglich machen würde, verlief negativ.
Damit ist auch aus Sicht der Begleitgruppe hinreichend geprüft, dass der Einsatz eines FSD-Verfahrens für diesen spezifischen Fall nicht infrage kommt. Die Rücknahme der Einwendung ist damit folgerichtig.
Aus Sicht aller Beteiligten am HZG-Dialog ist die kontroverse Diskussion damit zu einem befriedigenden Ende gebracht. Darin zeigt sich die Stärke des konsensorientierten Prozesses, der eine Auseinandersetzung in der Sache möglich macht, fernab der den Konfliktlinien des rechtlichen Beteiligungsverfahrens.