Zwischenstand bei den großen Konfliktfeldern

Stand Oktober 2022

Spätestens mit dem Abschalten einzelner AKWe nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima hat die Diskussion um die Folgen des Atomzeitalters eine neue Ebene bekommen. Bisher ging  es für Anti-Atom-Initiativen primär um das Verhindern von Bau und Betrieb von Atomanlagen. Doch auch das Abschalten und der Rückbau der Meiler, auf das wir über Jahrzehnte hingearbeitet haben, ist mit Risiken verbunden.  Und letztlich bleibt der Atommüll uns allen erhalten, auch wenn Anti-Atom-Initiativen die Letzten sind, die ihn angerichtet haben. 



LAgAtom hat sich 2012  für die Teilnahme an der Begleitgruppe zum Rückbau der Atomforschungsanlagen des Helmholtz-Zentrum Hereon  (ehemals HZG, davor GKSS) entschieden. 

Wir wollen das vor dem Hintergrund der Schwierigkeiten an anderen Rückbaustandorten hier die Zwischenergebnisse bei den Großen Konfliktfeledern dokumentieren. Viel Text, aber wir denken, es lohnt sich, mal genauer hinzusehen. Ausdrücklich möchten wir darauf hinweisen, dass das eine Bewertung von LAgAtom ist. Wir haben versucht, dabei auch die abgestimmte Haltung der HZG-Begleitgruppe deutlich zu machen. Hierzu verweisen wir auf die jeweils verlinkten Newsletter.

Dieser Artikel ist ein organisches sich regelmäßig veränderndes Gebilde. Im Laufe der Jahre haben  einzelne Akteure ihren Namen geändert. So heißt Raider jetzt Twix, GKSS nach HZG jetzt Hereon und das Umweltministerium in Kiel aktuell MEKUN. Die Namensanpassung haben wir unten nicht immer stringend umgesetzt, da das sehr viel Arbeit bedeutet hätte. Wir hoffen, ihr lasst Euch davon nicht verwirren.

Antiatom-Dose1. Konfliktfeld Genehmigungsverfahren

Alleine das Genehmigungsverfahren zum Rückbau von Atomanlagen bietet mehrere Ansatzpunkte zur Kritik. Obwohl es hier um einen Prozess geht, der sich über Jahrzehnte hinzieht, ist nur eine einzige Phase der Bürgerbeteiligung vorgesehen. Darüber hinaus   lässt das Gesetz auch eine Aufteilung in mehrere Stilllegungs- und Abbaugenehmigungen (SAG) zu. In diesem Fall ist eine Bürgerbeteiligung nur für die 1. SAG notwendig. In Obrigheim hat das zum Beispiel dazu geführt, dass in der 1. SAG nur relativ oberflächlich die geplanten Arbeitsschritte beantragt wurden. Es gab keine radiologische Charakterisierung und keine Störfallszenarien.  Für die 2. SAG gab es keine Bürgerbeteiligung.

Und auch für das AKW Brunsbüttel wählt der Betreiber Vattenfall den bequemen Weg und spart sich die Bürgerbeteiligung in Phase II.

Das HZG hat das ganze Verfahren in einer SAG zusammengefasst und als Ergebnis der Diskussionen in der Begleitgruppe auch die Transportbereitstellungshalle (TBH)  für schwach- und mittelradioaktiven Atommüll und den Reaktor-Druckbehälter (RDB) des Atomschiffes Otto Hahn mit ins Verfahren genommen.

An einzelnen anderen Standorten wird das Zwischenlager für schwach- und mittelaktive Abfälle  außerhalb des Beteiligungsverfahrens beantragt und genehmigt. Damit haben BürgerInnen keinen Einfluss darauf, wie sicher oder unsicher Atommüll am Standort gelagert wird.

Leider wird es auch bei diesem Rückbau nach dem  Erörterungsverfahren keine weiteren Anhörungen geben. Die Forderung der Begleitgruppe nach einem weiteren Erörterungstermin kurz vor Erteilung der Genehmigung hat das Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung (MELUND) abgelehnt.  HZG hat eine kontinuierliche Information der Bevölkerung im Rahmen des HZG-Dialoges zugesagt. Dem fehlt aber jeglicher rechtlicher Rahmen, der eine Klagemöglichkeit beinhaltet.

2. KoAntiatom-Dosenfliktfeld Antragsunterlagen und Ablauf des Erörterungstermin

Am Umfang der Antragsunterlagen gab es bisher bei allen Rückbauprojekten in Deutschland Kritik aus der Bevölkerung. Umweltverbände und AnwohnerInnen bewerten die Unterlagen als ungenau, unvollständigen und nicht ausreichend, um eine mögliche Gefährdung durch die geplanten Maßnahmen zu beurteilen. An verschiedenen Standorten haben die Umweltverbände die Erörterungstermine deshalb unter Protest verlassen.  Vor diesem Hintergrund wurde im HZG-Dialog bereits frühzeitig über eine Verbesserung der Unterlagenqualität diskutiert.

Die Unterlagen, die beim Erörterungstermin ausgelegt  werden sollten, hat  der  unabhängigen Sachverständige Wolfgang Neumann auf Wunsch des HZG-Dialog  auf Umfang und Vollständigkeit bewertet. Grundsätzlich kam er zu einem positiven Ergebnis. „Insgesamt bieten die Sicherheitsberichte und die Umweltverträglichkeitsuntersuchung des HZG eine bessere Grundlage zur Beurteilung von Betroffenheit, als dies durch Sicherheitsberichte in anderen Genehmigungsverfahren gegeben ist.
Dennoch wiesen laut der Kurzstellungnahme auch die Unterlagen des HZG Lücken auf. Diese wollte HZG schließen und auch  die  ergänzenden Fachberichte zu den „Störfallanalysen“ und zum „Freigabekonzept“ veröffentlichen. Hier schob aber das MELUND einen Riegel vor und untersagte die Veröffentlichung. Das Ergebnis eines langen Diskussionsabends mit Begleitgruppe, HZG und MELUND war dann, dass die beiden Themenbereiche als nicht rechtsverbindliche Statusberichte gekennzeichnet auf seiner Homepage des HZG zu finden sind.

Auch wenn wir weiterhin nicht verstehen, warum die Störfallanalysen und auch andere Fachbericht nicht Teil der offiziellen Unterlagen sind, bewerten wird das Ergebnisse des HZG-Dialog in diesem Konfliktfeld als  Erfolg. Ausdrücklich hervorheben wollen wir, dass in den Unterlagen zu folgenden Punkten Aussagen gemacht werden, die bei vielen anderen Rückbauprojekten fehlen:

  • zur Störfallanalyse eines versehentlichen oder gezielten Flugzeugabsturzes,
  • zur Transportbereitstellungshalle für schwach- und mittelradioaktiven Atommüll,
  • zu den aus dem Rückbau resultierenden Atomtransporten.

Im Genehmigungsverfahren für die Stilllegung von Atomanlagen ist der Erörterungstermin ein wichtiger Meilenstein. Hier wird den EinwenderInnen die Gelegenheit gegeben, ihre vorab schriftlich eingereichten Bedenken zu erläutern. Die Genehmigungsbehörde prüft diese Bedenken und bezieht sie in die eigenen Entscheidungen mit ein.

Auch hier zeigt das atomrechtliche Verfahren die juristische Grenze dialogorientierter Beteiligungsprozesse auf. Um beim Erörterungstermin überhaupt ein Rederecht zu bekommen, mussten die Mitglieder der Begleitgruppe hier als EinwenderInnen auftreten. An dieser Stelle zeigt sich die Schwäche des Atomrechts, das konsensorientierten Ansätzen wie in Geesthacht keinen Raum einräumt.

Der Konflikt um Atomanlagen in Deutschland war oft auch vom Vorwurf der Vertuschung und Intransparenz begleitet. Das soll im HZG-Dialog anders gehen. Logische Konsequenz wäre auch eine Veröffentlichung des Protokolls des Erörterungstermins. Das MELUND hat  hier aber rechtliche Bedenken. Im Wesentlichen beruht die Entscheidung des MELUND auf zwei Überlegungen: Man befürchtet, dass in weiteren Verfahren die Beteiligten sich nicht frei äußern, wenn sie befürchten müssten, dass ihre Aussagen öffentlich gemacht werden. Des Weiteren müsse der Gleichheitsgrundsatz gelten, so dass die Vorgehensweise bei allen Verfahren gleich durchzuführen sei.

Aus Sicht der Begleitgruppe ist diese Argumentation nicht nachvollziehbar, da beim Erörterungstermin auch Pressevertreter anwesend waren. Damit war den Beteiligten klar, dass ihre Aussagen öffentlich sind. Aber weder ein Brief der Begleitgruppe noch die Unterstützung des HZG konnten an dieser Stelle MELUND zum Umdenken bewegen.

Im Nachgang des Erörterungstermins haben wir über Detailfragen weiter diskutiert. IN einem Punkt hat HZG dann eine weiter Prüfung vorgenommen, so dass die Begleitgruppe eine Detaileinwendung zurück genommen hat.



Antiatom-Dose3. Konfliktfeld Alternativenprüfung

Die Atommüllkonferenz fordert standortspezifisch Prüfungen, welche Stilllegungsstrategie „sicherer Einschluss“ oder  „sofortiger Rückbau“  jeweils die unter Sicherheits- und Strahlenschutzgesichtspunkten die Bessere ist.

Die Begleitgruppe hatte deshalb gleich zu Beginn des Dialogprozesses die Begutachtung des Antrages durch den neutralen Gutachter Wolfgang Neumann gefordert. Aufgrund dessen Ergebnis hat sie dem Stilllegungsantrag zugestimmt. In mehreren Teilgutachten hat er zudem die Möglichkeit eines Teileinschlusses des Reaktorpools und mehrere Optionen zum weiteren Umgang mit dem RDB der Otto Hahn geprüft.

Nach unserer Einschätzung hat das HZG die Forderung nach einer Alternativenprüfung damit vollständig erfüllt und Standards für andere Verfahren gesetzt.



Antiatom-Dose4.  Konfliktfeld Atomtransporte und Konditionierung

Der Atommüll muss für die Endlagerung konditioniert, d.h. vorbehandelt, im Volumen reduziert und verpackt, werden.  Geschehen diese Arbeitsschritte nicht vor Ort, resultieren zig Atomtransporte mit den damit verbundenen Strahlen- und Unfallrisiken. Mit dabei auch so wahnwitzige Unterfangen, wie den strahlenden Stahlschrott ins schwedische Studsvik zu verschiffen. Nach einer groben des Betreibers wird der Rückbau der Atomforschungsanlagen zu rund 500 Atomtransporten führen.

Im HZG-Dialog haben wir prüfen lassen, in wie weit der Einsatz  mobiler Konditionierungsanlagen möglich ist, um damit Atomtransporte auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Leider ist dieses aufgrund der Größe der zurzeit verfügbaren mobilen Konditionierungsanlagen nicht möglich. Die Halle der HZG ist schlichtweg zu klein.

Ein Teil der ursprünglich geplanten Transporte kann dennoch wegfallen. Aufgrund des Drucks der Begleitgruppe wurden in Berlin schon vorzeitig Gelder für den Rückbau des RDB der Otto Hahn freigegeben. Einzelne Großkomponenten hätten bei einer späteren Zerlegung sonst an einen anderen Ort gefahren werden müssen, um sie dann dort zu zersägen. Durch die Vorverlegung können diese Arbeiten  vor Ort im Heißen Labor geschehen.

An dieser Stelle hat der Dialog nur bezogen auf den RDB der Otto Hahn einen Erfolg hervorgebracht. Allerdings ist unser Eindruck, dass auf Seiten des Betreibers ein Verständnis für die Vermeidung von Atomtransporten geweckt wurde. Für den weiteren Prozess hat HZG zugesagt die Begleitgruppe in die Entscheidung zu Vergabe von Konditionierungsverträgen mit einzubinden.

Ein Sonderfall stellt Geesthacht zudem, da hier nicht nur der Rückbau der Forschungsanlagen ansteht, sondern quasi Zaun an Zaun auch das AKW Krümmel in den Rückbau geht. Hier hält sich der Betreiber mit konkreten Angaben zu den erwartetet Atomtransporten sehr zurück. Dennoch ist schon jetzt klar, dass es einzelne Straßen geben wird, durch die die Mehrzahle der Transporte rollen muss. LAgAtom drängt  darauf, dass es einen Runden Tisch „Nadelöhr Geesthacht“ mit beiden Betreibern und der kommunalen Verwaltung geben muss, bevor die ersten Rückbau-Transporte laufen.



Antiatom-Dose5. Konfliktfeld Schacht Konrad

Der Schacht Konrad stellt einen zentralen Streitpunkt zwischen Anti-Atom-Initiativen und Atomatomanlagen-Betreibern dar. Von Beginn an wurde die Erkundung von Protesten aus der Bevölkerung begleitet.

Ähnlich wie beim Salzstock Gorleben gab es auch bei der Auswahl des Schacht KONRAD kein vergleichendes Suchverfahren. Auch hier waren es keine geologisch, wissenschaftlichen Argumente, die zur Standortauswhl führten, sondern einzig die Tatsache, dass der Erzabbau nicht mehr rentabel war und dass nach einer Nachnutzung gesucht wurde.

Und auch der Planfeststellungsbeschluss von 2002 hat der Kritik am Auswahlverfahren und der Eignung des Schachtes für die Atommülllagerung keinen Abbruch getan. Wesentliche Gesichtspunkte, wie z.B. die Gefahren durch Atomtransporte, wurden nicht berücksichtigt und der Stand der Planung stammt aus einer Zeit als C 64 noch ein Zauberwort für jugendliche Zocker war.

Aber der eigentliche Skandal liegt in den Sicherheitsanforderungen. Hier werden Standards angesetzt, die unter denen liegen, die nun für die Suche nach einem Standort für die ebenfalls schwach- und mittelaktiven Abfälle aus der ASSE-Rückholung liegen.

Die Niedersächsischen Landesverbände des BUND und des Nabu haben im Frühjahr 2022 die Landesregierung  aufgefordert, den Planfeststellungsbeschluss aufzuheben und das umfänglich begründet. Die Prüfung durch das Umweltministerium dauert an.

LAgAtom fordert mit vielen andern Initiativen und Umweltverbänden, die Suche nach einem Atommülllager für hochradioaktive Abfälle auch mit einem Neustart für die Lagerung schwach- und mittelaktiver Abfälle zu verknüpfen.

Im Rahmen des HZG-Dialogs lässt sich diese Forderung nicht diskutieren, da sich der Betreiber auf den Standpunkt zurückzieht, dass es einen Planfeststellungsbeschluss für KONRAD gibt und HZG nicht entscheidet, wann und wohin der Atommüll transportiert werden soll. Rein formal können wir diese Haltung nachvollziehen. Für uns leitet sich aus der Verantwortung gegenüber den Menschen in Salzgitter aber die Forderung ab, die Lagerungsbedingungen in Geesthacht so zu gestalten, dass nicht alleine daraus schon ein Handlungsdruck für die Inbetriebnahme des Schachtes entsteht. Ebenso hat sich Begleitgruppe dagegen Ausgesprochen, dass die HZG-Abfälle in dem geplanten Zwischenlager Würgassen landen. Das Würgassenkonzept dient nur dazu die Probleme des Schachtes KONRAD zu verschleiern und wird zu einer Verdopplung von Atomtransporten führen.

Zum derzeitig Stand ist allerdings von HZG auch nicht geplant, bei dem Tetris-Spiel in Würgassen mitzuspielen.



Antiatom-Dose6. Konfliktfeld Zwischenlagerung

Das  HZG muss die Behälter mit Atommüll in der Transportbereitstellungshalle (TBH) so lange lagern, bis das Bundesamt für Strahlenschutz den Abtransport anordnet. Der Begriff „Transportbereitstellungshalle“ erweckt dabei bewusst den Eindruck, dass es sich hierbei um kurze Zeiträume handelt, um zu verschleiern, dass daraus auch mal schnell Jahre oder Jahrzehnte werden können.

Als Endlager vorgesehen ist, wie beschrieben, der „Schacht Konrad“.  Nach der  ursprünglichen Planung sollte dieser längst in Betrieb sein. Doch immer wieder stießen die Betreiber bei den Ausbaumaßnahmen auf unerwartete technische Probleme.

Aufgrund „erheblichen Sanierungsbedarfs bei den Schächten und der Hauptstrecke unter Tage“ bestätigte das Bundesumweltministerium im Mai 2013 eine Verzögerung bis mindestens 2022.  Im März 2018  gibt die Bundesgesellschaft für Endlagerung bekannt, dass sich die Fertigstellung von Schacht KONRAD als Atommülllager erneut verzögern wird. Neuer Inbetriebnahmebeginn soll 2027 sein. Man kann Gespannt sein, wann die nächste Verschiebung kommt.

Und selbst wenn nicht, ist mit erheblichen logistischen Verzögerungen zu rechnen, denn alle Standorte wollen ihren Atommüll loswerden. Dass Geesthacht dann als Erstes dran ist, bezweifeln wir. Die  Begleitgruppe geht daher von einer jahrelangen, ja eventuell sogar jahrzehntelangen Lagerung der Atommüllbehälter aus. Die Idee das Logistikproblem mit einem riesigen Zwischenlager in Würgassen zu verschleiern, sehen wir da auch nicht als realistische Option an.

Daher  erscheint es uns besonders wichtig, dass die Lagerung des Atommülls auf dem Gelände des HZG schon von Beginn an auf sehr lange Zeiträume ausgelegt ist. Sonst bestünde nach unserer Einschätzung das Risiko, das man zu spät merkt, dass der angedachte Zeitplan nicht zu halten ist, wenn KONRAD als Zielort wegfällt.

Ein Resultat der Diskussionen im HZG-Dialog ist die Erweiterung des Antrages auf die TBH. Somit kann nun geprüft werden, in wie weit das HZG seine Konzepte auf eine langfristige Lagerung von schwach- und mittelradioaktivem Atommüll ausgedehnt hat.

Diese Bedenken werden vom MELUND scheinbar geteilt. Dr. Dr. Jan Backmann führte im Erörterungstermin aus, man gehe „von echter Zwischenlagerung aus und dementsprechend werden auch alle Anforderungen von uns auf langfristige Zwischenlagerung ausgerichtet sein.“  In diesem Zusammenhang sicherte er auch zu, dass am Standort, wie vom HZG beantragt, nur Atommüll aus dem Betrieb und Rückbau der Forschungsanlagen gelagert würde.

Da gerade in Schleswig-Holstein mit den Rostfässern in den Kavernen des AKW Brunsbüttel extrem schlechte Erfahrungen mit der Lagerung vom Atommüll gemacht wurde, hat MELUND unter anderem im Erörterungstermin angekündigt, hohe Sicherheitsanforderungen an zu legen. Eine wichtige Grundlage soll dabei das Korrosionsgutachten einer speziellen Arbeitsgruppe des MELUND darstellen.

HZG hat im Rahmen der Dialogtreffen bereits mehrfach auf eignen Umsetzungsidee hingewiesen.



Antiatom-Dose7. Konfliktfeld Abgabegrenzwerte

Wie auch an den meisten anderen Standorten beantragt das HZG für die Abgabe von Radioaktivität in Wasser und Luft die gleichen Abgabegrenzen wie im Betrieb.  Lediglich eine Abgabe von Edelgasen und Jod über die Abluft wird nicht weiter beantragt. In der Diskussion mit Betreiber und vor allem der Genehmigungsbehörde wurde immer wieder betont, dass die beantragten Werte im Vergleich zu den AKW-Rückbauten recht gering sind. Das sind sie tatsächlich auch. Aber ist das wirklich eine Argumentationslinie, nach dem Motto es geht auch schlimmer?

Weiterhin unklar bleibt uns, warum die Werte beim Rückbau genauso hoch sein müssen, wie im Betrieb, vor allem wenn man berücksichtigt, dass sie in den Betriebsjahren beim weitem nicht ausgeschöpft wurden. Hier fordern wir eine engere Begrenzung. Sehr kritisch sehen wir dabei, dass über den kompletten Rückbauzeitraum dieselben Grenzen vorgesehen sind, ungeachtet dessen, dass unterschiedliche Rückbauschritte auch unterschiedliche Emissionsrisiken bergen. In diesem Zusammenhang stellte Dr. Müller vom MELUND im Erörterungstermin klar:  „Selbstverständlich werden wir im Aufsichtsverfahren darauf achten, dass alle technischen Möglichkeiten, die erforderlich sind und die auch gemacht werden können, eingesetzt werden, um die Strahlenbelastung, das heißt einmal die Emissionsseite, zu minimieren.“ Auch wenn die Begleitgruppe diese Aussage grundsätzlich begrüßt, würde eine Vorabfestlegung mit Bezug zum jeweiligen Arbeitsschritt zusätzliches Vertrauen in das Verfahren schaffen. 

Beim Thema Ableitung in die Elbe ist der HZG-Dialog hingegen schon einen Schritt weiter gekommen.

Egal ob Rhein, Donau, Isar oder Elbe, die Einleitung von radioaktiv Abwässern in ein Thema das AnwohnerInnen stark beunruhigt. Weiterhin ungeklärt sind zum Beispiel die deutlich im Fluss- und Trinkwasser   erhöhten Tritium-Werte beim AKW  Saumur an der französischen Loire. (Wer genug französisch kann findet hier mehr Infos). Auch an der Elbe hat der Antrag auf radioaktive Einleitungen im Rahmen des Rückbaus des AKW Brunsbüttel Widerstand hervorgerufen.

HZG leitet  im Gegensatz zum AKW Brunsbüttel im Wesentlichen Hygiene-Abwässer vom Duschen und Händewaschen ein. Das weitaus stärker kontaminierte Wasser aus dem Reaktorbecken wird in einer externen Anlage konditioniert. Bei der Dekontamination will man keine Verfahren einsetzen, die zu kontaminierten Abwässern führen.

Besonderheiten des Standortes Geesthacht sind der Einfluss der Tide unterhalb des Sperrwerks in Geesthacht und die insbesondere im Sommerhalbjahr auftretenden Niedrigwasserphasen. Der mittlere Abfluss der Elbe beträgt am Pegel Neu Darchau ca. 700 m³/s. Zum Beispiel während der Phasen mit sehr geringem Abfluss im September 2018 sank der Abfluss hingegen über Wochen auf 200 m³/s.

An die Tideschwankungen  passt das Helmholtz-Zentrum schon jetzt die Einleitungstermine der an. Damit wird sichergestellt, dass die Abwässer nur während der Ebbephase der Elbe und mit dem abfließenden Ebbstrom fortgetragen werden.
Nach einer eingehenden Diskussion mit der Begleitgruppe hat sich HZG bereit erklärt, in Zukunft keine Einleitungen in Phasen mit geringem Abfluss mehr vorzunehmen.

Zudem wird sich das Helmholtz-Zentrum auf Anregung der Begleitgruppe mit dem Betreiber des Kernkraftwerks Krümmel abstimmen, damit sichergestellt wird, dass gleichzeitige Einleitungen beider Betreiber vermieden werden



Antiatom-Dose8. Konfliktfeld Freigabe

Eines der am kontroversesten diskutierten Themen im Zusammenhang mit dem Rückbau von Atomanlagen ist die „Freimessung“. Der Großteil des beim Rückbau entstandenen Mülls soll gar nicht konditioniert und als Atommüll behandelt, sondern zu „normalem“ Müll umdeklariert werden. Er kann dann, je nach der Höhe der radioaktiven Restbelastung, auf Deponien gelagert oder als Müll verbrannt werden oder zur freien Verwertung in den Wirtschaftskreislauf zurückkehren, z.B. in den Straßenbau. Im Rahmen des Rückbaus von Atomanlagen werden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zigtausende Tonnen von leichtstrahlenden Materialien in die Umwelt entlassen.

Im Falle der HZG rechnet der Betreiber mit ca. 39.000 Tonnen Gesamtabbaumasse. Davon entfallen ca. 10.000 t auf die Herausgabe und Freigabe aus Bereichen, in denen nicht mit radioaktiven Stoffen umgegangen wurde, ca. 27.400 t auf den Entsorgungsweg Freigabe. Etwa 1.600 t werden als radioaktive Abfälle anfallen.

 Der HZG-Dialog hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder mit verschiedenen Aspekten der Freigabe beschäftigt.

Zunächst ging es uns dabei um eine  Alternativenprüfung. Verschiedene Umweltverbände und Initiativen, z.B. der IPPNW, fordern statt der Freigabe derartiger Abfälle, entweder die Atomanlagen  entkernt stehen zu lassen oder dei Freigabeabfälle auf dem Gelände zu verbunkern. Insbesondere das Erste ist, wie oben beschrieben, aus Sicherheitstechnischen Gründen beim HZG nicht möglich.

Für die Abfälle, die über das Freigabeverfahren entsorgt werden sollen, gibt es noch keinen abschließenden Konsens zwischen Begleitgruppe und HZG. Einig ist man sich darüber, dass hier eine standortnahe Lösung gefunden werden sollte. Ein Transport der Abfälle „quer durch die Republik“ sollte ausgeschlossen werden.

In einem zweiten Schritt hat  sich die Begleitgruppe mit dem Freimess-Verfahren auseinander gesetzt. Unter Hinzuziehung eines unabhängigen Gutachters haben wir uns das praktische Vorgehen beim Freimessen erläutern lassen. Die Begleitgruppe ist dabei zu der Überzeugung gelangt, dass das Verfahren so angelegt ist, dass keine Stoffe mit einer höheren Kontamination versehentlich in die Freigabe gehen. Insbesondere konnte die Sorge ausgeschlossen werden, dass hier durch Vermischung unterschiedlicher Chargen die Grenzwerte eingehalten werden.
Das Restrisiko, dass durch individuelle Fehler entstehen könnte, wird durch den überwiegenden Einsatz von Eigenpersonal und das Vier-Augen-Prinzip minimiert.

Das ändert für uns als LAgAtom nichts daran, dass wir Zweifel an der Gültigkeit der Grenzwerte haben. Diese sind  unter Experten umstritten. Kritisiert wird hier vor allem, dass die Wirkung von Niedrigstrahlung nicht abschließend erforscht wurde und dass die Grundlage für die Ableitung des 10µSiv-Konzeptes veraltet sei.

Gerne wird der Freigabewert von 10µ-Siv von Behörden und Betreibern mit der natürlichen Hintergrundstrahlung verglichen. Dabei wird der Eindruck erweckt, dass der Freigabewert viel niedriger ist als die Hintergrundstrahlung (richtig) und das obwohl diese ja natürlich und damit harmlos ist (falsch).

Fazit: 10µ-Siv sind weitaus weniger als die natürliche Hintergrundstrahlung, unbedenklich sind sie damit aber nicht. Und die Strahlung der freigebenen Abfälle geht nicht unter in der Hintergrundstrahlung sondern sie kommt „on top“.

Ähnlich wie bei der Diskussion um KONRAD zieht sich HZG bei diesem Thema auf die formale Position zurück, dass sie keine Grenzwerte und Gesetze  erlassen. Sie müssten sich an den rechtlichen Rahmen halten und damit auch an die Vorgaben zur Freigabe in der Strahlenschutzverordnung.

Das ist an dieser Stelle natürlich richtig, aber für uns unbefriedigend. Die Freigabe bedeutet, gerade m Hinblick auf die vielen anstehenden AKW-Rückbauten eine zusätzliche Erhöhung der natürliche Hintergrundstrahlung.

In der weiteren Diskussion hat sich für den Begleitprozess gezeigt, dass es notwendig ist, die unterschiedlichen Freigabepfade getrennt zu betrachten. Nach intensiver Diskussion und mit Unterstützung zweier Sachverständiger ist die Begleitgruppe zu der Überzeugung gekommen, dass von Abfällen aus Anlagenbereichen, in denen während des Forschungsbetriebes nicht mit offener Radioaktivität gehandhabt wurde, keine Gefahr für Mensch und Umwelt ausgehen kann. Dennoch schreiben die Verfahrensvorschriften für diese Abfälle – sicherlich zu recht – Kontrollmessungen vor. HZG sichert zu, diese im laufenden Rückbau vorzulegen. Diese Zusage bewertet die Begleitgruppe positiv.

Bedenken bestehen vor allem gegen die Entsorgung eines Teils des Bauschutts über das normale Bauschuttrecycling ohne weitere Dokumentation. Bei den spezifisch zur Deponierung freigegebenen Abfällen stehen für die Begleitgruppe weiterhin die Fragen im Raum, ob „normale“ Bauschuttdeponien ausreichenden Schutz und Abschirmung vor der – wenn auch geringen – Strahlung bieten können.

Aktuell sehen die Pläne des MELUND für die spezifisch zur Deponierung freigegebenen Abfälle unter anderem die Deponie in Wiershop vor. Im Herbst 2019 hat das MELUND ein Gutachten des TÜV veröffentlicht. Darin geht es vor Allem darum, ob  die Bedingungen auf den Deponien den Modellszenarien der Strahlenschutzkommission entsprechen. Also schlicht um die Frage, wird das 10 µSiv-Konzept hier eingehalten oder kommt am Ende doch „mehr“ raus.

Das wenig überraschende Ergebnis ist dabei, dass keine der Deponien in jedem Aspekt dem Szenario entspricht. Bei der Deponie Wiershop geht es dabei um ein deutlich kleineres Klärwerk für die Deponiesickerwässer, sprich um eine geringere Verdünnung als im Rechenmodell.

MELUND hat gegenüber LAgAtom versichert, dass das TÜV Gutachten die Konsequenz hat, dass jede Charge neu berechnet wird. Die gesetzlich zulässigen Freigabewerte dürften dann nicht voll ausgeschöpft werden. Was mit Chargen passieren soll, die dann nicht mehr nach Wiershop könne, bleibt dabei offen.

Ob beim Rückbau der Atomforschungsanlagen  überhaupt den  Freigabepfad der „spezifischen Freigabe“ genutzen wird, ist derzeit offen. HZG ist durchaus bereit, sowohl bei der unbeschränkten als auch bei der spezifischen Freigabe  über alternative Lösungen zu diskutieren, soweit sich diese im gesetzlichen Rahmen bewegen.



Antiatom-Dose9. Konfliktfeld Kernbrennstoffe

Der Atomforschungsreaktor in Geesthacht ist bereits seit dem  24. Juli 2012 kernbrennstofffrei. Die letzten Brennelemente wurden über Nordenham an das US Department of Energie geliefert. Wenn man nur den Rückbau betrachtet ist das eine positive Mitteilung, denn andere Betreiber beginnen die Abbaumaßnahmen zu einem Zeitpunkt, zudem die Brennelemente noch im Nasslager schwimmen. Zur Erinnerung auch in Fukushima gab es eine Nasslager mit Brennelementen, das havarierte. Desjalb ist eine der zentralen Forderungen an allen Rückbaustandorten. „Kein Rückbau solange noch Brennstoff in der Anlage ist.“

Das Problem war schon vor dem Dialog-Start vom Tisch. Aber wirklich gelöst ist es auch nicht.

Savannah River Site Foto: www.srswatch.org

Die Brennelemnete aus Geesthacht sind nach  Savannah River Site in  South Carolina gegangen. Hier befindet sich eine Anlage zur Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen aber auch eine wichtige US-Atomwaffenschmiede. Eine Studie von 2007 belegt, dass Mitarbeiter von Savannah River Site signifikant häufiger an Lungenkrebs und Leukämie erkranken als die Normalbevölkerung (http://www.cdc.gov/niosh/oerp/savannah-mortality/). Was mit den Brennelementen der Hereon konkret geschieht, entzieht sich unserer Kenntnis.

Die Brennelemente des Atomschiffes Otto Hahn wiederrum langern im Zwischenlager Lubmin und sollen von dort in das noch zu findende Atommülllager für den Hochradioaktiven Atommüll.

Aus Sicht von LAgAtom ist das ein deutliches Beispiel, dass es eben keine „Grüne Wiese“ nach dem Rückbau von Atomanlagen gibt. Letztlich wird der Atommüll nur verpackt und woanders hingestellt. Das ist für den Rückbaustandort gut – für den (Zwischen-) Lagerstandort nicht.