Anti-Atom-Bewegung bewahrt Deutschland vor einem ungeeigneten Endlager

Was wäre gewesen, wenn es die Anti-Atom-Bewegung –  das „unappetitliche Pack“ (Bundesinnenminister Kanther 1996)  – und ihren langen Kampf gegen den nuklearen Wahnsinn nicht gegeben hätte?

Nicht nur, dass es dann weitaus mehr Atomkraftwerke und damit auch mehr Atommüll gegeben hätte; mit Gorleben gäbe es dann auch ein ungeeignetes Endlager.

Mit dem Zwischenbericht Teilgebiete haben wir es nun schriftlich: Gorleben ist nicht sicher und war nie sicher. Ein kurzer Moment der Freude und Genugtuung ist da angemessen.  Auch LAgAtom und diverse Vorgänger (LAGA, Anti-Atom-Plenum, LIgA) waren  Teil des Widerstandes gegen den Endlagerstandort Gorleben. Es ist auch unser Erfolg!

Doch das eigentliche Problem bleibt bestehen, denn der Atommüll ist ja nun nicht plötzlich verschwunden.

Für den Prozess der Endlagersuche bietet die Suche ohne Gorleben die Chance, dass es tatsächlich fair und rein  auf geologischen Kriterien basierend laufen kann. Denn nur so kann am Ende ein Standort gefunden werden, der von der betroffenen Bevölkerung auch akzeptiert wird.

Es braucht also eine sorgfältige und fundierte Bewertung, damit das Gebiet weiter Teil der Suche bleibt. An dieser Stelle braucht es vor allem kritische Wissenschaftler*innen die unabhängig vom staatlichen Unternehmen die Auswahl durchleuchten. Es braucht einen angemessenen Vergleich aller Alternativen bevor es ein Ja-oder Nein geben kann.

Und es braucht umfassende Beteiligungsmöglichkeiten für die betroffenen Bürger*innen. Und genau hier ist der Knackpunkt im Verfahren. Denn das, was bisher angeboten wird,  ist inszenierte Beteiligung statt Mitbestimmung! Die heute veröffentlichte  Stellungnahme der „Atommüllkonferenz“ führt dazu zahlreiche Kritikpunkte an.

LAgAtom fordert deshalb  ein Moratorium des Suchverfahrens und eine deutliche Veränderung des Beteiligungsverfahrens. Beteiligung braucht Zeit!

Von den im Landkreis Lüneburg im Zwischenbericht ausgewiesenen Teilgebieten sind wir selber überrascht, da sie bisher nicht in früheren Gutachten auftauchen. Eine Bewertung ist daher (noch) nicht möglich. Dafür braucht es jetzt auch auf der lokalen Ebene einen „Runden Tisch der Endlagersuche“. Und an diesen müssen auch Vertreter*innen der Zivilgesellschaft – nicht nur die Politik und Verwaltung.


Stellungnahme der Atommüllkonferenz (pdf)


Die Stellungnahme wurde im Rahmen der Atommüllkonferenz[1] erarbeitet und wird von den unterzeichnenden Organisationen getragen.

Fachkonferenz Teilgebiete

Mitbestimmung statt inszenierter Beteiligung!

Ende September wird die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) ihren „Zwischenbericht Teilgebiete“ vorlegen und damit darstellen, welche Regionen mit Kristallin-, Salz- und Tonvorkommen für die sogenannte Endlagerung[2] hochradioaktiver Abfälle[3] als „günstig“ angesehen werden.

Das Standortauswahlgesetz (StandAG) sieht in dieser Phase der Standortsuche vor, dass der Zwischenbericht der BGE auf einer Fachkonferenz Teilgebiete auf drei Sitzungen innerhalb eines halben Jahres debattiert wird. Nach §9 StandAG ist dies der erste formale Beteiligungsakt der Bürgerinnen und Bürger. Anmerkungen und Kritik werden dokumentiert und die BGE „berücksichtigt“ diese Stellungnahme der Fachkonferenz, bevor oberirdisch zu erkundende Standorte benannt werden.

Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BaSE) ist laut StandAG „Träger für die Öffentlichkeitsbeteiligung“, also für die Partizipation zuständig.

Das BaSE lädt am 17./18. Oktober zu einer Auftaktveranstaltung ein, die hauptsächlich online stattfinden soll. Die BGE soll am 17. Oktober lediglich allgemeine Teile des Zwischenberichts vorstellen.  Darüber hinaus soll am Folgetag der Vorschlag für eine Geschäftsordnung unterbreitet werden. Für die inhaltliche Beratung der Fachkonferenz hat das BaSE drei Termine, im Februar, April und Juni 2021 anberaumt und damit den Zeitraum für die Beratungen um zwei Monate gekürzt. Obwohl das StandAG eine solche Auftaktveranstaltung nicht vorsieht, bleibt das Atommüll-Bundesamt BaSE bisher dabei, den Oktober-Termin bereits als Auftakt der Fachkonferenz Teilgebiete zu bezeichnen.

Gegen den schnellen Start der Fachkonferenz Teilgebiete im Oktober sprechen zwei Argumente: Zum einen bleibt für die Vertreter*innen kommunaler Gebietskörperschaften jener Regionen, die erst Ende September erfahren, dass sie in einem „Teilgebiet“ leben, nicht genügend Zeit, um sich in die Materie einzulesen und sich abzustimmen, wer diese Regionen auf der Fachkonferenz Teilgebiete vertritt.  Zum anderen verhindern BaSE und BGE damit eine faire und dem Prinzip der Chancengleichheit entsprechende Befassung mit dem Bericht, denn in der kurzen Zeit zwischen Veröffentlichung des Berichts und der Auftaktveranstaltung ist es den Betroffenen nicht möglich, kritische Fachleute zu gewinnen, die am 17. Oktober eine zweite Meinung einbringen. Die Teilnehmenden haben also keine Chance, sich auf der Konferenz unabhängig zu informieren.

Das Atommüll-Bundesamt suggeriert so, die Fachkonferenz Teilgebiete würde über ihren gesetzlich vorgeschriebenen Rahmen hinaus mehr Zeit für die Debatte, Beschlüsse und die Erstellung eines eigenen Berichts haben. Dem gegenüber stehen ein mehrere hundert Seiten mächtiger Bericht, zuzüglich Fachbeiträgen und eine interessierte, zum Großteil ehrenamtlich mit dem Thema befasste Öffentlichkeit, die diesen erst einmal durchdringen wollen wird. Vier Monate Einlesen plus vier Monate Fachkonferenz werden das kaum ermöglichen können.

  1. Vieles ist längst ohne Beteiligung entschieden

Im Standortauswahlgesetz ist vorgesehen, dass die Teilgebiete-Konferenz lediglich ein Thema bearbeiten darf: Die Erörterung des Zwischenberichts der BGE. Schon längst entschieden wurde über die Ausblendung der ungelösten Probleme mit den schwach- und mittelradioaktiven Abfällen, das Suchverfahren, seine Akteur*innen, die Auswahl-Kriterien, die Lager-Methode in tiefengeologischen Schichten, die Sicherheitsanforderungen, die eingeschränkten Beteiligungs- und Klagerechte und die Entlassung der AKW-Betreiber aus der finanziellen Verantwortung für den Atommüll – ohne dass die Betroffenen die Möglichkeit gehabt haben, dabei mitzureden.

  1. Es gibt keine „Augenhöhe“

Auf der einen Seite werden vom Atommüll-Bundesamt rund fünf Millionen Euro für eine PR-Kampagne ausgegeben, auf der anderen Seite gibt es kein Budget für wissenschaftliche Expertise, auf die die Fachkonferenz Teilgebiete aber zurückgreifen müsste, um das fachliche Werk zu durchdringen. Das BaSE „argumentiert“ zwar, dass Wissenschaftler*innen eine Teilnahme freistehe, weshalb diese Zielgruppe im §9 StandAG gesondert aufgeführt worden sei. Aber eben unentgeltlich. Expertise zum „eigenen“ Teilgebiet muss von den Betroffenen selbst finanziert werden. 

  1. Arbeitsfähigkeit scheint nicht gewünscht

Die Fachkonferenz Teilgebiete insgesamt bietet keine Möglichkeit effektiver Einflussnahme und ist von ihrem gesetzlichen Auftrag her eine Fehlkonstruktion. Auch wenn sie im nächsten Jahr ihre Beratungen aufnimmt, sich eine Geschäftsordnung gibt und – obwohl das BaSE dafür organisatorische Unterstützung verweigert – selbstbestimmt Arbeitsgruppen einrichten und Gremien wählen würde, die zumindest eine Kontinuität der Arbeit gewährleisten könnten, wird deren Arbeit entgegen der Versprechungen, die Endlagersuche basiere auf einem wissenschaftsbasierten, selbsthinterfragenden und lernenden, transparenten und partizipativen Verfahren, allein durch die eingeschränkten Arbeitsbedingungen konterkariert. Getoppt wird dies noch durch die Ankündigung des BaSE, die Kosten für die Moderation des Beratungsprozesses nur zu übernehmen, wenn die Fachkonferenz die vom BaSE vorgeschlagenen Moderator*innen akzeptiert.

  1. Die BGE wartet nicht auf die Ergebnisse der Konferenz

Die Arbeit der BGE ruht nicht in der Phase, in der die Fachkonferenz Teilgebiete tagen wird. Das heißt, die Stellungnahme der Fachkonferenz Teilgebiete kommentiert einen überholten Arbeitsstand des Vorhabenträgers. Wertschätzung für die Arbeit der Fachkonferenz Teilgebiete sieht anders aus.

  1. Die Ergebnisse der Konferenz haben keine verbriefte Wirksamkeit

Die Ergebnisse der Teilgebiete-Konferenz müssen laut Gesetz „berücksichtigt“, also zumindest gelesen werden. Ist die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) nett, beantwortet sie das Papier auch. Was sie ansonsten damit macht, ist ihr überlassen. „Berücksichtigen“ kann also auch Ablage in einer Archivschublade bedeuten.

  1. Eine Online-Veranstaltung reduziert den lebendigen Diskurs

Die Auftaktveranstaltung am 17./18. Oktober soll hauptsächlich online durchgeführt werden. Sie wird also im Internet live übertragen. Teilnehmende könne sich in einem Chat schriftlich äußern. Echte Interaktion und Diskurse sind damit kaum möglich, kein freier Austausch, keine Pausengespräche, kein hilfreicher Zwischenruf, keine Arbeitsgruppen. Die gesamte Kommunikation ist weitgehend vom Veranstalter gesteuert und kontrolliert. Zudem ist eine Online-Konferenz über volle zwei Tage eine Zumutung für viele Menschen. Oft fehlt zudem die technische Ausstattung oder eine leistungsfähige Internetverbindung zur Online-Teilnahme. Dies kann auch durch den vorgesehenen parallelen Präsenztermin in Kassel nicht aufgewogen werden, da die Teilnahme dort vom Losglück abhängt. Deshalb kann eine solche Veranstaltung erst dann sinnvoll stattfinden, wenn die Corona-Situation es wieder zulässt, dass sich viele Menschen gefahrlos zu einer Präsenz-Konferenz treffen können.

  1. Die Kriterien sind veraltet

Die Arbeitspakete der BGE stellen eine Interpretation der geowissenschaftlichen Vorgaben dar, wie sie im StandAG fixiert wurden. Das StandAG ist jedoch schon überholt und – siehe lernendes Verfahren – müsste novelliert werden. So wurden beispielsweise Klima-Veränderungen und deren Folgen für die Endlagersuche überhaupt nicht bedacht.

  1. Es gibt keine vollständige Transparenz über die Datengrundlage

Die Geodaten, die die BGE als Grundlage für ihren Zwischenbericht genutzt hat, werden nicht oder nur eingeschränkt einsehbar sein. Somit lassen sich die Entscheidungen der BGE nicht in vollem Umfang überprüfen. Ein transparentes Verfahren mit glaubwürdiger Öffentlichkeitsbeteiligung würde bedeuten, dass bereits zu Beginn ALLE Daten und Informationen offengelegt werden, die zur Erstellung des Zwischenberichts bei der Atommülllagersuche herangezogen wurden.

Die atompolitische Vergangenheit zeigt: Ohne Transparenz, ohne „Augenhöhe“ und ohne Sicherstellung eines wissenschaftsbasierten Prozesses, ist dieses Verfahren zum Scheitern verurteilt.

[1] Die Atommüllkonferenz ist ein fachlich-politisches, parteiunabhängiges Forum für Betroffene und Akteure von den Standorten, an denen Atommüll liegt oder an denen die Lagerung vorgesehen ist sowie von unabhängigen, kritischen Wissenschaftler*innen und Vertreter*innen von Verbänden und NGOs, die sich mit diesem Thema beschäftigen.

[2] Das Wort Endlager suggeriert ein „Ende“ bzw. eine „Lösung“ des Atommüllproblems. In Anbetracht der Jahrmillionen, die das Problem noch existiert, und der Tatsache, dass es keinen perfekten, sondern nur einen „bestmöglichen“ Standort geben kann, ist das ein Trugschluss. Das Wort wird hier einzig zum besseren Verständnis verwendet.

[3] Das StandAG sieht vor, dass auch schwach- und mittelaktive Abfälle an einem Standort gelagert werden. Doch gleichzeitig wird am Schacht Konrad festgehalten, statt für alle Arten von Atommüll ein vergleichendes Suchverfahren gesetzlich zu regeln

 

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