Mit dem Ende von Atomstromgewinnung und eines Teiles der Atomforschung in Deutschland bleibt vor allem eines: Müll.
Darunter auch eine Menge Bauschutt. Ein Teil davon ist in geringem Umfang radioaktiv kontaminiert. Der Umgang damit ist eines der umstrittensten Themen beim Rückbau von Atomanlagen. Die Strahlenschutzverordnung sieht wiederum für einen Teil hiervon die sogenannte spezifische Freigabe zur Deponierung auf ganz normalen Bauschuttdeponien vor. Hierfür werden in langen Tabellen Angaben zur maximalen Strahlenbelastung gemacht.
Bundesweit sorgen sich die AnwohnerInnen, dass damit Strahlenrisiken verbunden sind, und gründen Bürgerinitiativen (z.B. Schwieberdingen oder Harrislee). Ärzte warnen davor, dass die Wirkung von Niedrigstrahlung unterschätzt wird.
Wenn man einmal den Grundzweifel an den Grenzwerten und die Frage nach Alternativkonzepten außen vor lässt, tauchen immer wieder auch Bedenken auf, ob denn diese Grenzwerte überhaupt eingehalten werden. Ob die zugrunde gelegten Szenarien realistisch sind und vor dem Hintergrund der großen Mengen überhaupt zutreffen.
Anfang September hat nun das schleswig-holsteinische Umweltministerium in Kiel (MELUND) ein Gutachten des TÜV zur Eignung der Bauschuttdeponien im Land für die Annahme freigegebener Abfälle vorgelegt. In dem Gutachten geht es vor Allem darum, ob die Bedingungen auf den Deponien den Modellszenarien der Strahlenschutzkommission entsprechen. Also schlicht um die Frage, wird das 10 µSiv-Konzept hier eingehalten oder kommt am Ende doch „mehr“ raus.
Vom Gedanken her sicher der richtige Ansatz, denn auch bei den diskutierten Alternativen zur Nutzung normaler Bauschuttdeponien, z.B. der Lagerung auf den AKW-Geländen, stellen sich die gleichen Fragen.
In der Pressemitteilung des MELUND wird der Minister Albrecht mit den Worte zitiert: „Mit dem Gutachten machen wir nach Jahren der Diskussion einen großen Schritt nach vorn, mindestens vier Standorte sind für die Lagerung freigegebener Abfälle aus Kernkraftwerken geeignet: Damit eröffnet sich eine belastbare Perspektive für die Deponierung im Land.“
Da kann man ja beruhigt sein.
Wenn man dann in das Gutachten reinliest, stellt man aber fest, dass bei jeder Deponieeignung ein kleines „aber“ angefügt ist und Prüfaufträge genannt werden. Was das nun aber in der Konsequenz heißt, bleibt offen.
LAgAtom hatte bei einer Veranstaltung Geesthacht die Möglichkeit, sowohl den TÜV als auch das MELUND dazu zu befragen. Mit überraschendem Ergebnis:
Sobald der tatsächliche Rückbau der Atomanlagen begonnen hat, soll für jede einzelne Charge nun für die jeweilige Zieldeponie unter den jeweiligen Einschränkungen geprüft werden, ob sie auf diese Deponie kann.
Damit hat man sich für eine deponiespezifische Reduktion der Freigabewerte entschieden!
Gleichzeitig will man sicherstellen – das war lange eine unserer Forderungen – , dass sowohl jährliche Maximalmengen als auch Gesamtmengen für die jeweilige Deponie überwacht und eingehalten werden.
Beide Vorgehensweisen können aus unserer Sicht nur begrüßt werden!
Sie werfen allerdings auch ganz grundlegende Fragen auf.
Wo bleibt der Bauschutt, der zwar nach der Strahlenschutzverordnung freigegeben wird, der aber für die vorgesehene Deponie mit ihren Besonderheiten nicht geeignet ist? Was ist da der Plan B? Braucht man dann doch eine Lösung außerhalb Schleswig-Holsteins?
Was bedeutet die jährliche Begrenzung für den Rückbau. Denn hier passen die Mengen, die an den vier potenziellen Deponien angenommen werden können, nicht mit den Angaben aus den Rückbauanträgen zusammen. Wird dann langsamer gearbeitet oder braucht es eine Zwischenlösung?
Und was ist, wenn im weiteren Verfahren aus den vier Deponien – ursprünglich waren es mal sieben – noch weitere aussortiert werden (müssen).
Eine wirkliche Antwort haben wir auf diese Fragen nicht bekommen. Man müsse im Verlauf des Rückbaus erst ermitteln, ob es derartige Chargen gibt bzw. um welche Menge es sich dabei handelt. Kann man verstehen, wirkt aber wie eine Verschiebung auf die lange Bank.
So und dann machen wir die Klammer vom Anfang wieder auf. Denn man kann nicht außer Acht lassen, dass die Grenzwerte umstritten sind.
Es bleibt wie es ist. Auch wenn die Prüfung der Deponieeignung durch das MELUND zu begrüßen ist. Es fehlt, wie an vielen Stellen, ein übergeordnetes Konzept zum Umgang mit den Hinterlassenschaften: egal ob es dabei um den hochaktiven Müll in den CASTORen geht, schwach- und mittelaktiven Müll, der nicht ins KONRAD-Konzept passt, oder eben für den kontaminierten Bauschutt.
Mit der Forderung nach einer grundlegenden Prüfung des Freigabekonzeptes steht LAgAtom nicht allein. In einem offenen Brief an die Umwetministerkonferenz fordern 91 Anti-Atom-Initiativen ein Moratorium für die gängige Freigabepraxis.