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Neben dem eigentlichen Atomforschungsreaktor befindet sich auf dem Gelände des Helmholtz Zentrums Geesthacht (vormals GKSS) auch der Reaktordruckbehälter der Otto-Hahn, des einzigen deutschen Atomschiffes. Ende der 60er in Betrieb genommen, stellte sich schon gut 10 Jahre später die Idee eine Frachtschiffes mit Atomantrieb als Flop heraus.
Der Reaktordruckbehälter war damit Atommüll, der entsorgt werden musste. Wie in anderen Fällen auch wurde jedoch die Entsorgungsproblematik vertuscht. Abgenutzte Brennelemente gingen zur angeblichen Wiederaufarbeitung nach England und Frankreich, Abfälle aus der Urananreicherung werden als Wertstoffe deklariert und der Reaktordruckbehälter der Otto Hahn wurde zum Forschungsobjekt. Alles mit dem Zweck, das Problem mit dem Atommüll nicht in die Öffentlichkeit gelangen zu lassen. Gut 30 Jahre nach der Einlagerung des Druckbehälters ist die Genehmigungslage spätestens nach Einstellung des Forschungsbetriebes äußerst fragwürdig.
Geforscht, wie in der Genehmigung angegeben, wird hier nicht, zwischenlagern kann man ihn in dem Schacht aber auch nicht, denn dafür müsste er nochmals behandelt werden, was in dem Enge Schacht nicht machbar ist. Abtransport am Stück geht nicht, denn er würde zerbrechen, wenn er dabei umkippt oder herunterfällt. Eine Glück, dass das 1981 bei der Anlieferung nicht passierte. Und für die Ausarbeitung von Konzepten, was denn dann passieren soll, stehen derzeit nicht einmal die Geldmittel zu Verfügung. Hier ist zwingend eine Änderung erforderlich – so zumindest die Sichtweise von Anti-Atom-Initiativen wie LAgAtom.
Die Sichtweise der HZG ist hier verständlicher Weise eine andere und daraus entstand im Rahmen des Dialog zum Rückbau der Atomanlagen am Standort Geesthacht eine kontroverse Diskussion, die in die folgende gemeinsame Presseerklärung mündete. Das es sie geben musste, zeigt die ganze Misere rund um die Atomkraft mit ihren ungeklärten Entsorgungsproblematik – das es sie geben kann, zeigt die Qualität des Dialogprozesses, der auch derartige Dissense aushalten kann.
Presseerklärung des Helmholtz-Zentrum-Geesthacht und der Begleitgruppe zum „Rückbau der Atomforschungsanlagen des HZG“
Atommüll oder Forschungsobjekt?
Kontroverse Diskussionen im HZG-Dialog über die Genehmigungs-Lage des Reaktordruckbehälters des Nuklearschiffes „Otto Hahn“
Um die Lagerung des Reaktordruckbehälters (RDB) des stillgelegten Atomschiffes „Otto Hahn“ findet im Rahmen des Dialog-Prozesses zur Stilllegung der Atomanlagen des ehemaligen GKSS-Forschungszentrums derzeit eine kontroverse Diskussion zur Rechtsgrundlage statt. Während die Begleitgruppe „Stilllegung Atomanlagen des HZG (ehem.GKSS)“ die derzeitige Rechtsgrundlage für abgelaufen hält, ist aus Sicht des Helmholtz-Zentrums Geesthacht (HZG) die bestehende Genehmigung nach Strahlenschutzverordnung zur „Lagerung von Komponenten des Nuklearschiffes „Otto Hahn“ für wissenschaftliche Untersuchungen“ gültig. Der RDB ist aus Sicht des HZG der einzige Reaktordruckbehälter eines nuklearangetriebenen Schiffes in Deutschland, dessen Betriebshistorie detailliert dokumentiert wurde und an dem wissenschaftliche Untersuchungen sowohl durchgeführt werden dürfen als auch noch möglich sind. 1981 wurde der 480 Tonnen schwere Reaktordruckbehälter des stillgelegten Atomschiffes „Otto Hahn“ des ehemaligen GKSS-Forschungszentrums brennstofffrei in einem dafür eigens errichteten Betonschacht auf dem Gelände des Geesthachter Forschungszentrums eingelagert.
Das Magazin „Spiegel“ berichtete damals, es sei lediglich geplant, den Reaktordruckbehälter für fünf bis sechs Jahre zu lagern, um die „einmalige Chance“ nutzen zu können, „Stahlqualitäten von einem Reaktor zu untersuchen“. (http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14343028.html)
Schon zu dieser Zeit hatten Umweltinitiativen die Befürchtung geäußert, dass daraus eine unbefristete Zwischenlagerung werden könnte. Aus Sicht der Begleitgruppe „Stilllegung Atomanlagen des HZG (ehem. GKSS)“ ist diese Annahme bereits seit den 90er Jahren, spätestens aber mit der Entscheidung zur Stilllegung der Forschungsreaktoranlage eingetroffen: „Wir halten den ursprünglichen Zweck der Genehmigung zur Lagerung des RDB für nicht mehr erfüllt und sehen dringenden Handlungsbedarf. Hier sind Betreiber, Atomaufsicht und das Bundesforschungsministerium, das die notwendigen Finanzmittel zur Verfügung stellen muss, gefragt, um zügig eine rechtlich ausreichende Grundlage für den weiteren Umgang mit dem Reaktordruckbehälter zu erreichen.“, fordert Bernd Redecker, einer der Sprecher der Gruppe.
„Vor dem Hintergrund, dass der Aufsichtsrat 2008 beschlossen hat, sämtliche kerntechnischen Einrichtungen des ehemaligen GKSS-Forschungszentrums endgültig abzuschalten und zurückzubauen
können wir die Überlegungen der Begleitgruppe hinsichtlich der Zukunft des Reaktordruckbehälters zwar nachvollziehen“, erklärt Dr. Torsten Fischer, Sprecher am Helmholtz-Zentrum Geesthacht (HZG),
„das ändert aber nichts an der Tatsache, dass die von der Atomaufsicht erteilte Lagerungsgenehmigung weiterhin gültig ist“, so Fischer weiter.
Mittelfristig ist es das erklärte Ziel des Helmholtz-Zentrums Geesthacht, den brennstofffreien Reaktordruckbehälter des ehemaligen GKSS-Forschungszentrums abzubauen. Von Seiten des HZG wurden schon 2008 sowohl eine Transportstudie als auch ein Zerlegungskonzept erstellt. Nach derzeitiger Planung solle der Beginn des Genehmigungsverfahrens zur Zerlegung nicht vor 2018 erfolgen.
„Wir nehmen die aktuellen Hinweise der Begleitgruppe ernst und werden die nächsten Schritte zur Zukunft und Zerlegung des Reaktordruckbehälters gemeinsam diskutieren. Der Prozess HZG im Dialog lebt von dem Austausch unterschiedlicher Standpunkte.“, so Fischer weiter.
Die zentrale Frage: Handelt es sich bei dem Behälter also um Atommüll oder um ein Forschungsobjekt?
Mit wissenschaftlichen Untersuchungsprogrammen durch externe Wissenschaftler ist bis zum Abbau in der Tat nicht mehr zu rechnen. Dennoch ist aus Sicht des HZG der RDB als Forschungsobjekt nach wie vor von Interesse. Das ehemalige GKSS-Forschungszentrum etablierte 1981 eine radiologische Untersuchung zum Abklingverhalten des Reaktorstahls, deren Langzeitmessung und wissenschaftliche Begleitung von Mitarbeitern des Helmholtz-Zentrums Geesthacht bis zum endgültigen Abbau des RDB fortgesetzt wird.
„Als Begleitgruppe haben wir intensive, offene und konstruktive Gespräche über diese Problematik mit dem HZG geführt. Der Betreiber konnte uns aufzeigen, dass er verschiedene Maßnahmen geprüft hat, um zu einer Verbesserung der Lage zu kommen.“, erklärt Bernd Redecker.
Jenseits der konkreten Fragen um den Reaktordruckbehälter in Geesthacht haben die Gespräche mit der Begleitgruppe aber auch gezeigt, dass der bundesweite Umgang mit den radioaktiven Hinterlassenschaften der Atomenergie-Nutzung insgesamt rechtlich und faktisch noch ungelöst ist.
Ein Transport des Behälters in seiner unzerlegten Form wäre aufgrund der hohen aktuellen Sicherheitsanforderungen nicht mehr möglich. Der für die dauerhafte Lagerung des zerlegten mittelradioaktiven Reaktordruckbehälters der „Otto Hahn“ vorgesehene Schacht Konrad in Salzgitter steht auf absehbare Zeit nicht zur Verfügung und wird von Teilen der Begleitgruppe außerdem als nicht ausreichend sicher betrachtet. „Vor dem Hintergrund der gültigen Genehmigung und den Plänen, den Reaktordruckbehälter abzubauen, ist für uns eine Änderung des Status Quo keine praktikable Option“, ergänzt Torsten Fischer.
Das Ergebnis der radiologischen Untersuchung des HZG zeigt, dass die Messwerte für den äußeren Bereich des RDB unterhalb der gesetzlichen Grenzwerte für den Überwachungsbereich liegen und keine
Gefahr darstellen. Vor einer Zerlegung ist eine intensive Untersuchung des Innenbereichs des RDB erforderlich.
Mehr zum HZG-Dialog auf www.lagatom.de
Hintergründe aus Sicht des Betreibers auf der Seite des HZG
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