Von Wahlbetrug und anderen Realitäten…

Kommentar von Georg Gunkel-Schwaderer (LAgAtom)

Die neue, designierte Niedersächsische Landesregierung hat nach Auffassung des Lüneburger Aktionsbündnis’ gegen Atom (LAgA) ihre eindeutige Position zur Endlagerbaustelle Gorleben aufgegeben. Noch im Wahlkampf klang es vom zukünftigen Ministerpräsidenten Stephan Weil sogar noch klarer, als von den Grünen: „Der Stand­ort Gorleben darf bei der Suche nach einem Endlager keine Rolle mehr spielen, er muss runter von der Liste der mög­lichen Standorte (…) Außerdem ist der Standort in den 1970er-Jahren ausgekungelt worden, es gibt über­haupt keine gesellschaftliche Akzeptanz“ (NDR, 7.5.12); und „Ich bin ein sehr loyaler Sozialdemokrat, aber ich werde Gorleben nicht mittragen“ (Braunschweiger Zeitung, November 2012.)

Nun, keine 3 Wochen nach der Landtagswahl, wurde diese klare Position, wegen der er unter anderem gewählt wur­de, aufgegeben. Die neue Sprechweise, die nach den Koalitionsverhandlungen an die Öffentlichkeit gelangt, klingt deutlich weichgespülter: Man werde drauf drängen, dass Gorleben im Rahmen eines End­la­ger­such­ge­set­zes fallen werde… Keine Rede mehr vom sofortigen Ausschluss Gorlebens.

Wenn das kein Wahlbetrug ist – und dies bereits 19 Tage nach dem Urnengang!

Die Menschen in Niedersachsen sind es seit langem Leid, dass die Kriterien, die für ein Endlager sehr streng sein müssen, immer weiter zugunsten der maroden Realitäten des Gorlebener Salzstocks aufgeweicht werden, sie haben es Satt, dass ein aus politischem Kalkül und nicht wegen seiner besonderen Eignung benannter Standort weiter den Maßstab für die weitere Endlagersuche spielt. Denn wer könnte dies für weitere Standorte ausschließen, wenn Gorleben nicht genau aus diesen Gründen ein Ende bereitet wird?

Was ist daran so wild?

Vielleicht fragen sich nun einige, was denn den Unterschied ausmache: Ein unbedingter Ausschluss Gorlebens versus eines Ausschlusses Gorlebens durch die Kriterien eines Endlagersuchgesetzes?

Für die Initiativen und Gruppen, die seit 37 Jahren das Ende Gorlebens fordern, ist der Unterschied der beiden Haltungen himmelweit! Gorleben ist fern jeglicher Tauglichkeit, nur aus politischen Gründen benannt worden!

Würde Gorleben nicht sofort aus der Endlagersuche herausgenommen, stünde zu erwarten, dass aus einer „ergebnisoffenen“ Suche wieder nur Gorleben herauskäme.

 

Warum?

  • Gorleben ist im Gegensatz zu den neu zu findenden Standorten schon sehr weit erkundet.
  • In Gorleben sind mittlerweile mehr als 1,7 Milliarden Euro verbaut. Soll das Geld buchstäblich in den Sand gesetzt sein?
  • In Gorleben wurde in den letzten Jahrzehnten nicht nur geforscht, sondern so ganz nebenbei und illegal auch schon die Kavernen aufgefahren, in denen letztlich der hochradioaktive Atommüll eingelagert werden soll – das Endlager ist baulich gesehen nahezu fertig!
  • In Gorleben steht ein Großteil des endzulagernden, hochradioaktiven Mülls (Castoren) im oberirdischen Zwischenlager
  • In Gorleben steht zudem eine Pilotanlage zur Verpackung von hochradioaktiven Mülls (die so genannte PKA-Pilot-Konditionierungs-Anlage)

Ergebnisoffene Suche? Das geht anders…

Diese geschaffenen Fakten entfalten bei der Festlegung von Endlagerkriterien einen massiven Druck. Und wir können Gift darauf nehmen, dass die Gorlebenbefürworter zahlreich mit am Tisch sitzen, wenn es um die Benennung dieser Kriterien für ein Endlager gehen wird! Sie werden ihre Lobby- und Profitinteressen gekonnt verstehen in den Prozess einzubringen. Eine Wackelhaltung zu Gorleben, wie die der Grünen seit ihrem Bundesparteitag Ende 2012 oder jetzt im Niedersächsischen Koalitionsvertrag, hieße dabei, der Gorleben-Lobby die Chance zu geben, Gorleben doch noch durchzusetzen.

Denn Gorleben ist bislang der einzige Endlagernachweis, den alle AKW in Deutschland brauchen – wie weichgespült diese Regelung mittlerweile auch sein mag.

Aber: Gorleben erfüllt keine ernstzunehmenden Kriterien für ein auf zig jahrtausende sicher zu seiendes Endlager für hochradioaktive und megagiftige Stoffe!

Das fehlende Deckgebirge, die Laugennester im Salzstock, die unter dem Salzstock schlummernden Gasvorkommen, die Gorlebener Rinne, die eine tektonische Störung bis tief durch den Salstock bedeutet und Wasserzuflüsse nicht nur wahrscheinlich, sondern todsicher macht… Diese Reihe ließe sich weit fortsetzen. Nicht zuletzt aber ist es auch die rechtliche Seite: Gorleben wurde seit Anbeginn nach Bergrecht behandelt. Dies sieht keine Bürgerbeteiligung vor. Gorleben hätte nach Atomrecht behandelt werden müssen. All dies befördert kein Vertrauen, wenn es um Gorleben geht – im Gegenteil: Es befördert unser tiefstes Misstrauen!!! Und dies, solange Gorleben im Topf bleibt!!!

Der Witz am Rande: Unsere Argumentation wird derzeit von Grünen-BundespolitikerInnen auf links gedreht: Wenn Gorleben aus politischen Gründen raus flöge, mache dies eine ergebnisoffene Suche unmöglich – denn dann versuchte man überall auf politischer Ebene ein zukünftiges Endlager zu verhindern.“

Wir entgegnen: Umgekehrt wird ein Schuh draus: Ein politisch benannter Standort hat von vornherein seine Unschuld verloren, er muss auch aus politischen Gründen wieder vom Tableau genommen werden!

Und zwar sofort!!!

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