Pressemitteilung der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg vom 21.11.11
Offener Brief an den niedersächsischen Innenminister Uwe Schünemann
Die Widerstandsgruppen im Wendland sind auch auf die Vorverlegung des Transports bestens eingestellt, ihre Infrastruktur mit Camps, Verpflegung und dem Info-Zentrum auf der sogenannten Esso-Wiese in Dannenberg steht ab kommenden Dienstag. „Und wir rufen unbedingt weiter auf zur Großdemonstration am 26.November in Dannenberg, unabhängig von der Frage, wo der Strahlenzug steht“, sagte BI-Sprecher Wolfgang Ehmke. „Schließlich geht es uns nicht um ein Hase- und Igel-Spiel, uns geht es darum, das Atommülldilemma in den Fokus der politischen Auseinandersetzung zu rücken sowie die Streichung Gorlebens als Endlagerstandort.“
Die Geheimnistuerei um den Transporttermin, das Verschleppen der Genehmigung von Versammlungen oder gar ihr Verbot, die Androhung, dass der BI wieder einmal die Gemeinnützigkeit aberkannt werden soll, untergrabe auch die politische Kultur. Gerade musste der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann einräumen, dass es bei der Terrorfahndung in Niedersachsen zu schweren Pannen kam: Der Verfassungsschutz hat dort 1999 einen möglichen Komplizen des Neonazi-Trios observiert. „Ist der Innenminister auf dem rechten Auge blind?“, fragt die (BI) angesichts der Verve, mit der im Gegenzug der Bürgerprotest im Wendland immer wieder kriminalisiert wird.
Per Allgemeinverfügung wird das Versammlungsrecht eingeschränkt, und auch in diesem Jahr soll ein Großangebot von 19.000 Polizisten die Müllabfuhr einer privaten Firma, der Gesellschaft für Nuklearservice (GNS) begleiten, und nun werde auch noch mit Transporttermin getrickst, kritisiert die BI.
In einem offenen Brief an den niedersächsischen Innenminister gibt BI-Sprecher Wolfgang Ehmke dem CDU-Politiker zu bedenken, dass der dynamische Wandel des Protestverhaltens und der Schutz von Grundrechten eine „Konstante der Demokratie“ sei. Ziviler Ungehorsam sei angesichts der Ewigkeitsfrage, die mit der ungelösten Atommülllagerung verbunden sei, ein bedeutendes Korrektiv für verfrühte Festlegungen und Fehlentscheidungen. Gegen das „Versagen der Politik“ – der 13. Castor-Transport wird trotz überhöhter Strahlenwerte im Gorlebener Lager genehmigt und statt der Aufgabe Gorlebens als Endlagerstandort wird dort weitergebaut – werden Tausende auf die Straße gehen, ist sich die BI sicher.
In dem offenen Brief heißt es wörtlich:
„Das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit darf nicht länger dem Wunsch der Polizeieinsatzleitung geopfert werden, ein wirkungsvolles Instrument zur “reibungslosen” und zügigen Abwicklung jener Müllabfuhr in die Hand zu geben. Die handwerkliche polizeiliche Praxis bestätigt diese Theorie: in der Vergangenheit wurden Kundgebungen verboten, Betretungsverbote von Straßen, Vorgärten, Grundstücken ausgesprochen, Häuser durchsucht, Dörfer abgesperrt, Demonstranten malträtiert, gedemütigt und eingekesselt und immer wieder so lange eingesperrt (in Gewahrsam genommen), bis der Castorkonvoi sein Ziel in Gorleben erreicht hatte. Zuvor wurde der Widerstand diskreditiert und als gewalttätig stigmatisiert. Auf den Abschlusspressekonferenzen der Polizei-Einsatzleitung ex post aber als phantasievoll und überwiegend friedlich über den Klee gelobt.
Ungezählt sind die Fälle, in denen Demonstranten von Gerichten ex post bescheinigt wurde, dass das Polizeiverhalten rechtswidrig war: Darf Rechtsbeugung Bestandteil polizeilichen Handelns sein, Herr Schünemann?“